Maschinengeist

Der kleine Teladi aus dem X-Universum hat Gesellschaft bekommen - hier dreht sich jetzt auch alles um das, was die kreativen Köpfe unserer Community geschaffen haben.

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Boro Pi
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Maschinengeist

Post by Boro Pi » Thu, 2. Aug 12, 16:14

Es gibt ja seit einiger Zeit solche Gedichtprogramme im Internet. Ich wusste schon länger von ihnen, habe sie mir indes bislang niemals angesehen. Das hat sich inzwischen geändert, denn ich kam in die interessante Situation jemanden zu beweisen, dass die "Gedichte", die heute populär sind, nur völlig sinnfreier Nonsens und keine Kunst sind. Und die Tatsache, dass ein Programm vergleichbare "Literatur" erzeugen kann, war in der Tat ein recht überzeugendes Experiment, den Grad von Kreativität und Talent moderner Dichter hinreichend in Frage zu stellen.
Wie dem auch sei, bei der Beschäftigung mit diesen Programmen, kam mir der Gedanke, das Gedichtprogramm ein Gedicht über Gedichtprogramme schreiben zu lassen, um das Thema quasi auf einer Metaebene zu behandeln (und durch den Kakao zu ziehen):

Maschinengeist

Automat. Oh hirnloses Wesen, du!
Ding, meine wolkige Gemeinde.
Erstellen - du musst es zelebrieren!
Automat du. Warm allezeit.
Ding zwischen Schlauchen und Verstehen.
Ding, ja so dusslig.
Tote Programme auf intelligenten Empfang,
Grelle Lungen berechnen den Weg.
Roboter: weinende Welt in Ewigkeit.
Talentneutraler Maschinengeist,
an den Besteller bläuliche Abstände ausgebend.
So still der Gott aus der Maschine!

TheEarth der 2
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Post by TheEarth der 2 » Sat, 4. Aug 12, 22:10

Der Anspruch auf Kultur fördert den Zerfall jener.
Durch den omnipräsenten Anspruch jedweder Gesellschaftsschicht Kultur zu konsumieren wird die Suggestion erschaffen, es müsse mehr Kultur erschaffen werden um einer größeren Anfrage gerecht zu werden. Hierbei wird jedoch vernachlässigt, dass Kultur im wesentlichen durch Qualität, anstelle von Quantität, ausgemacht werden sollte, sprich nicht mehr Kultur erschaffen werden muss, wenn es mehr Konsumenten gibt. An diesem Punkt könnte man argumentieren, dass Kultur ihrem Konsumenten angepasst werden sollte. Die Konsumenten haben sich im Laufe der Dekaden zum Quadrat verändert. Waren es einst Adelige und später Bürgerliche, die Kultur konsumierten, ist es heute jedwede Gesellschaftsschicht. Früher waren es ausschließlich oder vornehmlich gut gebildete Leute, was auf die heutige Gesellschaft in Gänze nicht zutrifft. Gewissermaßen könnte man daher sagen, dass Kultur auf das Maß heruntergebrochen wurde, welches jedem verständlich ist. Dieser Gedanke ist grundsätzlich löblich, jedoch in seiner Anwendung, wenn man das bisher vermutete als gegeben ansieht, fehlerhaft. Qualität ist ein Merkmal, welches unabhängig vom Objekt ist. Ein Taschentuch kann qualitativ hochwertig sein, ebenso wie ein Auto oder ein Großcomputer. Der Unterschied ist in der Komplexität zu finden. Im von dir dargelegten Meta-Beispiel über Gedichte lässt sich dieser Gedanke wiederfinden, wenn auch in anderer Weise. Meiner Meinung nach, ist hier die Komplexität hoch, während die Qualität gering ist. Komplexität ist jedoch in diesem Kontext vielleicht inkorrekt verwendet. Als Beispiel möchte ich deshalb Vers eins und zwei aufführen. In Vers eins wird ein Automat behandelt, welcher zuerst personalisiert wird und anschließend direkt als dumm respektive nicht intelligent charakterisiert wird. Anschließend wird auf ein Objekt übergeschwenkt, welches klar nicht personalisiert wird, v.d.h. ein Objekt bleibt, und von einer "wolkige[n] Gemeinde" berichtet, wobei mir da nicht der Sinn klar wird. Es ist klar etwas anderes und zu Vers eins abzugrenzen. Allgemein nichts schlimmes, so etwas machen auch qualitativ hochwertige Dichter, allerdings wird später, im Verlauf der Gedichte, ein Kontext hergestellt, welcher hier ausbleibt.
Ich hoffe du wolltest so einen Kommentar und nicht einfach nur Dampf ablassen, als dir dieser "Verfall" zu Gesicht kam.


Gruß

TheEarth

Boro Pi
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Das nie Gewollte

Post by Boro Pi » Mon, 6. Aug 12, 09:47

Ich bin positiv überrascht, dass sich jemand tatsächlich tiefer gehend, inhaltlich damit außereinandersetzt. Ich "wollte" einen solchen Kommentar mit Sicherheit nicht, indes nur deswegen, weil ich dergleichen nicht erwartet habe. Und wie hätte ich wollen können, was ich mir nicht habe vorstellen können? Im Affekt ist das indes nicht geschehen, den 'Verfall' der Lyrik habe ich ja nicht gerade spontan bemerkt, sondern beobachte ihn schon des Längeren.

Indes würde ich Dir nicht durchgehend zustimmen. Das ist zunächst einmal die Überlegung zum 'Konsument'. Dass die 'Kultur' einem Quantifizierungsprozess unterliegt ist zweifelsohne richtig, auch dass sich die 'Kultur', um sich bewusst einem breiteren Publikum zu nähern, für gewöhnlich im Niveau herabsinkt, ist unbestritten. Indes das Problem bei diesen Gedichten, der Lyrik im Allgemeinen, ist der 'Produzent' mehr denn der 'Konsument'. Eine Orientierung am Publikum geschieht hier nämlich kaum, denn zum einen lässt sich mit Lyrik heutzutage generell kein Blumentopf mehr gewinnen und zum Anderen bewirkt das Absinken im Niveau hier explizit keine Annäherung an den Verständnisgrad der Masse. Das ist ein strukturelles Problem, auf das ich gleich zurückkommen will. Auf jeden Fall, besteht das Problem hier eben nicht darin, dass immer mehr Leute immer mehr Gedichte lesen wollen, sondern dass sich immer mehr Leute für dichterisch talentiert halten.

Das strukturelle Problem. Die moderne Lyrik ist natürlich auch nur eine Ausdrucksform der modernen Kunst und durchlebt zur Zeit wie alle anderen Chargen der modernen Kunst eine aus einer völligen Sinnentleertheit resultierenden Sinnkrise. Das dies den meisten Vertretern dieser Kunst nicht bewusst ist, ist meines Erachtens ein Zeichen dafür, dass ihnen sogar der Sinn, nach den Sinn zu suchen, abhanden gekommen ist. Aber das nur am Rande. Vor einem Jahrhundert als sich die moderne Kunst herausbildete, besaß sie ihren Sinn noch, denn Kunst ist Ausdruck. Am Beginn hat man sich bewusst gegen eine naturalistische oder idealistische Darstellungsform entschieden, um etwas Bestimmtes damit auszudrücken. Der Dadaismus widersetzte sich den starren künstlerischen Normen, um gegen die starren gesellschaftlichen Normen zu rebellieren, der Expressionismus macht die Welt häßlich, weil ihre Vertreter diese Häßlichkeit im Weltkrieg als wahrere Erscheinung der Wirklichkeit kennengelernt haben als die Wirklichkeit selbst.
In all diesen Fällen ist es jedoch so, dass man bewusst von den konventionellen Arbeitsmethoden des Künstlers abgewichen ist, um eben mit diesem Normbruch eine Aussage zu treffen. Der Normbruch ist die Kunst der modernen Kunst. Auch in der Literatur, das moderne Gedicht zelebriert gleichsam den Normbruch. Das, was auf Dich als 'Komplexität' gewirkt hat, ist nichts anderes als die angestrebten Formlosigkeit des modernen Gedichts. Feste Strophenformen (Sonette usw.) gelten als veraltet, ja sogar Reime gelten als veraltet und vom Versmaß haben die meisten noch nicht einmal gehört. Diese angestrebte Formlosigkeit findet sich allerdings nicht allein in der äußeren Form, sondern auch im Inhalt. Du sagst, dass auch beim modernen Gedicht der Sinn zum Ende klar wird. Das ist keineswegs meine Erfahrung, allerhöchstens wird eine erkennbare Stimmung ausgedrückt. Aber das ist billig und bekäme ein Blatt Brainstorming im gleichem Maße hin.
Nach hundert Jahren moderner Kunst hat sie die Normen allerdings so nachhaltig zermahlen, dass ihrer Nichteinhaltung kaum noch eine Aussage zukommen kann. Mehr noch, viele Künstler sind sich gar nicht bewusst einen Normbruch zu begehen. Wie auch? möchte man fragen, wenn der Normbruch selbst zur Norm geworden ist. Aber sinnlos Striche auf eine Leinwand zu setzen, oder sinnlos, irgendwelche emotionalen Wörter in der Weise aneinander zu reihen, dass der Leser irrtümlich glaubt, mit ihrer Abfolge sein ein Ziel verfolgt, ist keine Kunst. Kunst wird es erst dadurch, dass ich genau diese Form wähle, um etwas Bestimmtes auszudrücken. Aber das geschieht nicht mehr - Ausnahmen bestehen, sind aber nur die berühmte Regelbestätigung. Moderne Kunst entsteht heute nicht mehr, um Normen zu brechen und mit diesem Bruch eine Aussage zu treffen, sondern allein deswegen, weil die meistens dieser 'Künstler' nichts anderes als abstrakt können!

Nochmal speziell zu meinem Ergebnis:
Man füttert das verwandte Gedichtprogramm mit Wörter, die in Kategorien eingeteilt sind. Die Personifizierung des Automats ist daher allein darin gegründet, dass ich ihn in der Kategorie 'Person' eingegeben habe und nicht unter 'Substantiv'. Nah einem Sinn der wolkigen Gemeinde musst Du auch nicht suchen, es handelt sich lediglich um meiner Eingabe 'Ding' per Zufallsgenerator beigesellte Wörter. Die Erklärungstexte des Programmerstellers weisen ausdrücklich darauf hin, dass das Programm keine Wortbedeutungen einprogrammiert hat, den Sinn eines Wortes also nicht kennt, ergo auch keine Sinnzusammenhänge formen kann. Alles was an Zusammenhang vorhanden ist, liegt in den von mir eingegeben Wörtern zugrunde. Alles darüber hinaus ist reiner, letztlich mathematischer Zufall.

Meine Eingaben waren: Automat - Ding - erstellen - hirnlos - Roboter - Programm - berechnen - tot - Gott aus der Maschine - Maschinengeist - ausgeben - talentfrei

agrippina
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Post by agrippina » Sun, 19. Aug 12, 04:07

"...Schnatterwurz auf Bienenstich." (Aus dem Gedächnis zitiert. Aus dem Gedicht des Chefvogonen. Per Anhalter durch die Galaxis)
Allein dieser kompremierte und aus dem Zusammenhang gerissene Ausdruck ist an Dichte, Tiefe und Gehalt, den Ergüssen der Maschine überlegen!


Ich mag den elitären Ideen von TheEarth der 2 nicht recht folgen. Man kann m.E. aus der Abwesenheit schriftlicher Überlieferung/Kenntnis, nicht auf die Kulturlosigkeit von Unterschichten schließen.
Ich fürchte eher, daß uns - auch kulturelle - Schätze durch diesen Mangel verloren gingen. Einen Beweis vermag ich nicht zu erbringen, aber deutet nicht die expirimentelle Archäologie an, daß mehr verloren sein könnte, als Baukunst?
Der Priester des Mittelalters (Elite) war genauso überzeugt von den religiösen Lehren, wie der Mörtellier (sagen wir mal "Obere Unterschicht").
Wäre das anders, könnten wir heute nicht ihre gewaltigen Leistungen im Kathedralenbau bewundern.

Ich meine mich zu erinnern, daß Orsen Wells den einzelnen Kinobesucher für blöde hielt und das Massenpublikum für genial.
Ich schließe mich in soweit dieser Ansicht an, als dass ich glaube, das Qualität von jedermann als solche erkannt wird. (Hat er sich ´nu angeschlossen oder dem Wells widersprochen?
Nicht so wichtig, für´s Licht gibt´s auch zwei sich widersprechende Beweise. Er glaubt, die Leute merken´s, wenn´s gut ist. War das jetzt Plural Majestates? Unbedingt! OK, dann bleibt es so.)

Ein Dichter ist jemand, der mit Worten Bilder malt, die die Menschen "sehen".
Ein Anwalt (anwesende Ausgenommen) ist jemand, der mit Worten Sachverhalte verdreht, bis sein Mandant einen Nutzen daraus ziehen kann. (Elitäre und wie finde, kulturlose Herrschersprache)

Die Beurteilung der modernen Kunst durch unseren friedliebenden Boronen, finde ich zu formalistisch.
Hier stimmt eher der Gedanke, daß sich die Elite hinabbeugen muss, um den kunstinteressierten zu erklären, was eigentlich dargestellt wird.

Dazu zwei Beispiele:
1. Im Museum wird uns ein Hocker präsentiert, auf dem verkehrtherum das Vorderrad, samt Gabel und Lenker eines Fahrrades montiert ist.
Dargestellt wird das physikalische Prinzip der Unvereinbarkeit (also ein Inhalt) verschiedengerichteter Drehbewegungen. Wieder unglücklich formuliert. Stellt euch vor, ihr hieltet ein Rad an der Nabe zwischen euren Händen.
Eine zweite Person bringt das Rad in Schwung. Wenn ihr nun versucht, die Lage der Nabe zu verändern (2. Drehbewegung) wirken chaotische Kräfte und das Rad fliegt euch um die Ohren (Vorsicht bei Feldstudien).
Da muß man beim Anblick einer solchen "Skulptur" erstmal d´rauf kommen. Für mich jedenfalls brauchte das Anleitung.

2. Ihr betrachtet ein rechteckiges Bild, das in viele kleine Rechtecke unterteilt ist.
Die Flächen sind in der Mehrzahl blau und grün ausgemalt (einige, wenige rote gibt es auch noch).
Wenn man nun die Disziplin aufbringt, dieses Bild eine Weile anzusehen (auf mich wirkte es äußerst aggressiv), verschwimmen die Konturen.

Matsch im Kopf, unser Hirn tilt. Es kann ein solches Bild nicht verarbeiten. Oder doch?
Denn, oh wunder, dreht man sich um und blickt auf eine weiße Wand, bildet sich genau das Bild auf ihr ab.

Dargestellt wurden Ergebnisse wissenschaftlicher (Hirn-)Forschung, also weit mehr, als irgendwelche Brüche mit konventionellen Malmethoden.
Aber ohne Anleitung - für mich jedenfalls - nur ein "häßliches" Bild.



Die kulturelle Revolution der Musik vollzieht sich völlig anders, als beabsichtigt.
Der elitäre Plan die Kadenz zu durchbrechen, ist fehlgeschlagen! Die drei People, die sich damit quälen, Zwölftonmusik gut zu finden, bleiben unter sich.
Alles andere geht zurück auf Johann Sebastian und Konsorten. Dabei ist es auch völlig gleichgültig, welche Schublade die Musikindustrie erfindet, um zu sugerieren, es gäbe etwas Neues.

Naja, so wahr, wie gelogen.
1. Die genannten drei Anhänger der Zwölftonmusik dürften mittlerweile ein musikalisches Superhirn haben. Denn wie die Betrachtung des "aggressiven" Bildes, Disziplin erfordert, so auch das Hören der Zwölftonmusik.
Wird diese Disziplin jedoch aufgebracht, vollzieht sich ein Wandel der Hörgewohnheit, fort vom Hören einer Tonreihenfolge, hin zum Hören eines Musikbildes. Das bringt mich auf den Gedanken, daß Zeitmangel der größte Kulturfeind ist.
Man müßte sich halt darauf einlassen.

2. Die technischen Fortschritte bringen Musiker hervor, die in der Lage sind, aus bekannten Kompositionen neue Musik zu komponieren. Statt einer Aneinanderreihung von Tönen, werden Musikzitate aneinandergereit
bis die - man kann wirklich sagen - Komposition fertig ist. Irgendwo im "Schaffensprozeß" kippt die Quantität und wird zur Qualität. Das sind keine Reglerschieber, sondern wahrhaftig Musiker mit einem Instrument, daß alle Instrumente ist.


Die Lyrik: Keine Ahnung :oops:
Das Beste, was mir in letzter Zeit zu Ohren gekommen (und vielleicht Lyrik) ist, war ein (Liebes-)Briefwechsel zwischen Goethe - im fortgeschrittenen Alter - und seiner Liebsten.
Ich möchte an diesem Beispiel die Behauptung, daß jederman die Qualität unmittelbar als solche erkennt, wiederholen.

Das Zweitbeste, was ich sprachlich kürzlich zu Gesicht bekam, war:
Ich "wollte" einen solchen Kommentar mit Sicherheit nicht, indes nur deswegen, weil ich dergleichen nicht erwartet habe. Und wie hätte ich wollen können, was ich mir nicht habe vorstellen können?
Insofern scheint auf dem "literarischen" Feld (...ein kleines gallisches Dorf Widerstand zu leisten) nicht alles verloren zu sein.


Solange die Gedichtsoftware allerdings ohne Seele bleibt, und woher sollte sie eine bekommen, bevorzuge ich - und glaubt mir, das zu schreiben kostet mich Kraft und Überwindung - die vogonische Dichtkunst.
Möge die Fracht mit Euch sein

Boro Pi
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Ein Lotteleser

Post by Boro Pi » Sun, 19. Aug 12, 13:02

agrippina wrote:"...Schnatterwurz auf Bienenstich."
Allein dieser kompremierte und aus dem Zusammenhang gerissene Ausdruck ist an Dichte, Tiefe und Gehalt, den Ergüssen der Maschine überlegen!
Ist er, ist er. Aber ist das ein Widerspruch? Diese Sprache ist tiefer, allein schon deswegen, weil sie ein Mensch geschrieben hat. Und doch, hatte m.E. Adams hier eben nicht die Absicht, Kunst zu schaffen, sondern sich über vermeintliche Kunst lustig zu machen. Die Methode ist anders, die Intention indes die gleiche wie in meinen Maschinengedicht. In "meinen", weil ihm, da es selbst intentionslos, ja seine Intention von mir gegeben wurde.
Ich schließe mich in soweit dieser Ansicht an, als dass ich glaube, das Qualität von jedermann als solche erkannt wird.
Möglich, auch wenn ich daran zweifle. Ich bin weiterhin der Ansicht, dass jedermann lediglich die Komplexität erkennt, die qualitativer Arbeit innewohnt. Was jedoch dazu führt, dass man vermittels einer "nackten" Komplexität Qualität vortäuschen kann.
Hier stimmt eher der Gedanke, daß sich die Elite hinabbeugen muss, um den kunstinteressierten zu erklären, was eigentlich dargestellt wird.
Ich habe das vermeintliche Kunstinteresse toter Hasen eigentlich noch nie nachvollziehen können...

Aber mal ungeachtet dessen, begehst Du hier nicht einen Widerspruch? Bei den Beispielen, die Du anführst, hast Du die "Qualität" dieser Kunstwerke doch augenscheinlich ohne Hilfe nicht als solche erkannt. Im Gegenzug kann ich die genannten Beispiele auch nicht als Gegenbeweis zu meiner Argumentation sehen. Hier ist ja gerade mit den spezifischen Formen und Methoden der modernen Kunst eine bewusste Absicht verfolgt worden. Aber ist allein deswegen, das hier eine gezielte Wechselwirkung zwischen Gemälde und weißer Wand, also quasi eine Installation vorliegt, jedes Bildnis aus geometrischen Formen gerechtfertigt und Kunst? Und was ändert dies an der Befähigung des Malers? Ich bleibe dabei: Viele davon können lediglich solche Formen zu Papier bringen. Auf die Literatur übertragen, stammeln sie ihre Aussagen anhand eines minimalistischen Vokabulars hinaus. Nicht aufgrund einer bewussten Reduzieren, auch wenn sie dies propagieren sollten, im Gegenteil, sie schöpfen das ganze Vokabular aus, dass ihnen zur Verfügung steht. Keine Reduktion erkennbar.
Hat er sich ´nu angeschlossen oder dem Wells widersprochen?
Nicht so wichtig, für´s Licht gibt´s auch zwei sich widersprechende Beweise. Er glaubt, die Leute merken´s, wenn´s gut ist. War das jetzt Plural Majestates? Unbedingt! OK, dann bleibt es so.
Du denkst: So ward es
ein Plural Majetates?
Doch nein, ein Plural fehlt!
Nichts dort mehrfach zählt.

Nüchtern: Wo soll da ein Plural Majestates sein?
Das bringt mich auf den Gedanken, daß Zeitmangel der größte Kulturfeind ist.
Ist er. Aber Zeitmangel ist ein Symptom der Moderne. Äußerst sich hier nicht vielleicht ein Bezugsverlust zur (Lebens-)Wirklichkeit, wenn ausgerechnet die Kunst der Moderne dem nicht Rechnung trägt?
Das Zweitbeste, was ich sprachlich kürzlich zu Gesicht bekam, war:
Ich "wollte" einen solchen Kommentar mit Sicherheit nicht, indes nur deswegen, weil ich dergleichen nicht erwartet habe. Und wie hätte ich wollen können, was ich mir nicht habe vorstellen können?
Holla, ich werde gleich hinter Goethe eingeordnet. Mir scheint, Du hast zuletzt so viel dann doch nicht gelesen. :P Aber dennoch, man dankt.
Insofern scheint auf dem "literarischen" Feld (...ein kleines gallisches Dorf Widerstand zu leisten) nicht alles verloren zu sein.
Das Bewusstsein, überhaupt Widerstand leisten zu müssen, ist hier schon das ganze Geheimnis. Dem sprachlichen Verfall, bzw. (denn dieses Wort ist vielleicht doch zu stark) der sprachlichen Nivellierung Einhalt zu gebieten, geschieht vielerorts wohl allein deswegen nicht, da man diesen Prozess noch nicht registriert hat.
Solange die Gedichtsoftware allerdings ohne Seele bleibt, und woher sollte sie eine bekommen, bevorzuge ich - und glaubt mir, das zu schreiben kostet mich Kraft und Überwindung - die vogonische Dichtkunst.
Dito.

agrippina
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Post by agrippina » Sun, 19. Aug 12, 17:53

Mir scheint, Du hast zuletzt so viel dann doch nicht gelesen.
Mir scheint, man kann vor Dir keine Geheimnisse haben.
Das Einzige, was ich sonst noch an literaischer "Qualität" bieten könnte, wäre:

"Das Problem ist, daß das Problem das Problem ist." (Aus "In Zeiten des abnehmenden Lichts"; eine durchaus zutreffende Analyse eines mit/durch Alzheimer erkrankten Menschen)
Du denkst: So ward es
ein Plural Majetates?
Doch nein, ein Plural fehlt!
Nichts dort mehrfach zählt.
Nie wurde ein (eingebildeter) König so sanft vom Thron geschubst.
Aber mal ungeachtet dessen, begehst Du hier nicht einen Widerspruch?
Un-Bedingt!

1. halte ich mehrere Wahrheiten für möglich.
2. scheitern die traditionellen Formen der Kunst möglicherweise an der Vielzahl von Erfahrungshorizonten.

Während ein Techtelmechtel Goehtes jedem etwas sagen kann, verhält es sich mit der künstlerischen Befassung von neuzeitlichen Erkenntnissen ungleich schwieriger.
Das "Kunstwerk" ist einfach nicht mehr in der Lage, aus sich selbst heraus, verstanden zu werden.

Das Hamsterad ist insofern eine tolle Erfindung, als dass man immer was zu tun hat.
Will man mehr, muß man da wohl ´raus und nach Erkenntnis lechzend, aktiv werden. Oder geht´s bei Kunst gar nicht darum, daß wir etwas erkennen?

Hier offenbart sich der nächste Widerspruch.
Die Kunst läßt sich nicht mehr einfach konsumieren. Man muß ordentlich kauen, bevor man´s schlucken kann.

Wo befindet sich eigentlich der Übergang von Komplexität zur Qualität? Läßt sich so etwas eingrenzen?

Der Turmbau zu Babel scheiterte an Sprachvielfalt, bis hin zum Unverständnis.
Vielleicht vollzieht sich so ein Prozeß heute innerhalb einer Sprache (Erfahrungshorizonte; immer detailiertere und auseinanderdriftende Kenntnisse, weiß die Linke noch, was die Rechte tut?)
Darin liegt Hoffnung für Dich. Denn es wird auch eine "Fraktion" geben, die die Fahne der ausdrucksstarken Sprache hochhält.
Holla, ich werde gleich hinter Goethe eingeordnet.
Das folgte der Logik, daß eine charmante Lüge besser ist, als die brutale Wahrheit. :P
Und diese Frechheit folgt dem Wunsch, ein - und sei es noch so kleines - Schmunzeln hervor zu bringen.
Möge die Fracht mit Euch sein

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