Gut, nur werde ich das nicht an erster Stelle behandeln. Die Gründe dazu werden sich noch aufzeigen.
Ich gebe zu, dass meine Anordnung der Punkte nicht allzu ... geordnet war.
Du sagst es bereits, die Verteilung ist gewissermaßen durch die Handlungsprämissen definiert. Es wäre allerhöchstens möglich gewesen, den Antagonisten ebenfalls einen stärkeren religiösen Hintergrund zu verleihen. Das wiederum hätte jedoch den ohnehin hohen Anteil religiöser Figuren zusätzlich erhöht.
Es wäre zugegebenermaßen mit menschlichen Charakteren auch schwierig gewesen, denn es würde einem Gläubigen durchaus schwerfallen, an die Inhalte irdischer Religionen zu glauben, nicht jedoch an die Erde an und für sich. Machbar wäre dies nur dann, wenn der Glauben weltlicheren Belangen (bewusst gewählte Formulierung) untergeordnet wird, also persönliche Vorteile einen
Kompromiss zwischen Glauben und Handeln ermöglichen.
Letzteres wird aber vielleicht dadurch in seiner Wirkung geschmälert, als dass diese Piraten eine namenlose Masse bleiben.
Das ist an dieser Stelle das Problem, ja. Die jetzt auch im Detail zu behandeln, hätte jeden Rahmen gesprengt, aber so bleibt dieser Aspekt, wenngleich erwähnt, doch nebensächlich. Denn da keine Informationen über diese Piraten vorliegen, kann es durchaus sein, dass sie den Konflikt mit ihrem Glauben nicht erkennen, handelt es sich bei ihnen doch nur um einfache Fußsoldaten in einem größeren Plan.
Es greift kein höheres Wesen in das Geschehen ein
Das allerdings kommt darauf an, wie man das Alte Volk betrachtet. Andererseits entspricht das Alte Volk definitiv nicht den Vorstellungen, die die heutigen Religionen von höheren Wesen haben.
Da alle Religionen 'die Wahrheit' beanspruchen, können Christentum und Shinto nicht gleichzeitig wahr sein. Die Interpretation, Nod würde 'das Religiöse' als wahr andeuten, ist demnach letztlich nur möglich, wenn man 'das Religiöse' als monolithischen Block auffasst. Nur ist es dies weder in der Realität, noch im Roman der Fall. [...]
Dessen all ungeachtet bleibt die Interpretation legtim, in Nod grundsätzlich ein eher positives Urteil über religiöse Ansichten zu erkennen. Auch das ist mir bewusst. Da ich aber, wie im Nachwort angedeutet, der Meinung bin, dass Science-Fiction eine überwiegend klar atheische Spielwiese ist, halte ich das Setzen eines gewissen Kontrapunktes durchaus einmal für berechtigt.
Um meine Antwort minimal übersichtlicher zu halten, zitiere ich hier nur Auszüge, auch wenn ich mich auf die gesamte Antwort beziehe.
Inhaltlich liegst du damit natürlich richtig, denn die Religionen sind nicht gleich - insbesondere nicht für jemanden, der mit einer involviert ist beziehungsweise an die ihr zugrunde liegende Erzählung glaubt. Für jemanden, der außerhalb dieses religiösen Konzepts steht, fallen diese Unterschiede aber deutlich geringer aus, wodurch aus Sicht einer solchen Person jene Interpretation, dass Nod die Wahrheit des Religiösen andeutet, an Gewicht gewinnen würde (oder zumindest könnte). Völlig ungeachtet dessen, dass diese Diskussion im Roman
faktisch nicht behandelt wird, sondern eben nur die ungleich einfachere über die Existenz der Erde (vergleichbar eher mit der Frage nach dem Fixpunkt des Sonnensystems als einer theologischen Diskussion), während die Frage nach der Wahrheit der Religionen offen gelassen wird. Die entsprechende Assoziation wird schlussendlich ermöglicht.
Das war freilich auch nicht die zentrale Kritik, auch weil diese Schlussfolgerung ("Religion ist wahr" - stark vereinfacht) nicht getroffen wird. Der zentrale Punkt war der moralische Effekt von Religion, der sich - wie inzwischen mehrfach erwähnt - auch aus dem Handlungskontext ergibt. Das Nachwort klärt an dieser Stelle auf, dennoch verbleibt der ebenfalls erwähnte Beigeschmack, das Religion "zu gut wegkommt", um es mal umgangssprachlich zu sagen.
Aber es ist vom Autor nicht zu verlangen, dass er politisch korrekt, repräsentativ und ausgeglichen über jeden Sachverhalt berichtet - und solange das Positive des Religiösen nicht aggressiv propagiert wird, sind Tendenzen wie diese explizit erlaubt.
Der dritte Punkt - und der letzte, der Nod direkt betrifft -, gilt Niklas Rider. So sehr es auch schon relativ früh ersichtlich war, dass Rider mehr war, als er vorgab zu sein, und dass er sicherlich eine Loyalität zu jemand anderem als den Gonern hatte, so sehr die Enthüllung mit dem Auftritt des Kapitäns auch vorbereitet wurde, so enttäuschend waren die finale Auflösung und sein letzter Akt, selbst wenn man die Enthüllung der Existenz der Autochtonie gutheißt. Der Charakter hatte über den gesamten Roman hinweg relativ großes Geschick im Geheimhalten seiner wahren Identität und insbesondere im Überleben gezeigt, verfällt am Ende aber in diese geradezu stereotypische letzte Erklärung seines Plans, anstatt seine letzten verbleibenden Gegner einfach zu erschießen - er müsste es nicht einmal an der Stelle tun, wenn man es genau betrachtet. Das Trio hatte gerade einen Jäger erhalten, also ein bewaffnetes Schiff, und sie hätten die Fernsteuerung gehabt. Er hätte warten können, bis er der Wachhabende gewesen wäre, und die anderen beiden im Schlaf töten können. Stattdessen enthüllt er seine Identität in diesem kritischen Moment und hält erstmal eine Rede, obwohl Samuel das später betont, womit klar ist, dass es dir als Autor durchaus bewusst war. Ich muss sagen, dass ich entweder mehr Geschick oder weniger Verrat von Rider erwartet hatte; vornehmlich letzteres, weil es etwas zu viel Schauspielerei war, betrachtet man seine "wahren" Ansichten. Das ist tatsächlich mein größter Kritikpunkt an der Geschichte - es war ohne Frage eine unerwartete Wendung, aber eben auch eine - aus meiner Sicht - zweifelhafte.
Ja, ich war eigentlich auch der Meinung, genug Hinweise eingestreut zu haben, die den Leser in Hinblick auf Rider stutzig machen sollten. Tatsächlich bist Du aber der Erste, der sie gefunden hat. Kein Probeleser hat Rider vor dessen Selbstenttarnung mehr Aufmerksamkeit geschenkt, als dieser vordergründig verdiente.
Ich fühle mich geehrt.
Ansonsten muss ich offen zugeben, dass die Enttarnung seiner Person in der von Dir geschilderten Variante merklich eleganter gewesen wäre. Nur bin ich da schlicht nicht drauf gekommen.
Es ist aber meist auch leichter, bei bereits bestehenden Ideen und Konzepten noch ein ergänzendes Detail zu finden, als sich die gesamte Sache auszudenken.
Aus diesem Grunde hatte ich niemand anderen zur Hand, der Riders Handeln (und dasjenige von Ironkh) erklären konnte, außer ihm selbst. Gleichzeitig musste sein plötzlicher Seitenwechsel ein für den Leser verständliches Motiv haben. Ich konnte ergo die Erklärung hier auch nicht auslassen.
Ja, die Problematik besteht natürlich, zumal mit Sicht auf die Leser ein Ende, bei dem Rider gewinnt, und das noch ohne Erklärung, höchstwahrscheinlich sehr unbefriedigend gewesen wäre. Gut, ein Verhör wäre natürlich auch eine Möglichkeit gewesen - wobei dann Rider entweder entkommen oder sterben müsste, um die Enttarnung der Hintermänner zu vermeiden, die einerseits - wie du schreibst - die Handlung gesprengt und andererseits auch zu weit geführt hätte (auch im Sinne des Erfolgs der Goner).
Der vierte und letzte Punkt betrifft bestimmte Plotaspekte, namentlich die Ausgestaltung des Alten Volkes und die der Langlebigen, die bei jeder Erwähnung und Verwendung doch mehr wie Anomalien in der Handlung wirken und von dieser Handlung oftmals fast völlig losgelöst sind, damit im Grunde eine zweite Handlung darstellen, die die eigentliche, "normalere" Handlung stört. Allerdings sprichst du bei den Langlebigen die Problematiken, die sich aus ihnen geben, deutlich an und schaffst es, die beiden Langlebigen in die eigentliche Handlung einzubinden, so dass die Anomalie kleiner ausfällt und vornehmlich den Charakteren als Motivation dient.
Allerdings ist dies kein Vorwurf an dich, denn du greifst damit nur Eigenheiten und Besonderheiten, im Grunde sogar die Beschaffenheit dieses Universums auf, die dir von anderer Seite - namentlich von Helge - vorgegeben wurde. Und meine Kritik hier richtet sich nicht an deine Umsetzung - mit Ausnahme der zuvor genannten und positiven Bemerkungen bezüglich der Langlebigen -, sondern an die Vorgaben und Konzeptionen, die von Helge stammen. Dass ich sie hier erwähne, dient damit mehr der Vollständigkeit (und als Möglichkeit, deine Behandlung der Langlebigen-Problematik zu erwähnen) und dazu, meine Sicht auf das Werk besser einschätzen zu können.
Nod hat zwei Handlungen: Edda und das Sprungtor. Dabei liegt ein deutlich höheres Gewicht auf die Geschichte um Edda (weil die andere dem engagierten X-Fans nichts Neues erzählt). Damit hat aber das Alte Volk mit der Haupthandlung nichts zu tun. Es steht außen vor. Es steht grundsätzlich außen vor, seine Beziehung zum Geschehen im X-Universum ist immer vage gewesen. Das sind, wie Du schon sagst, vorgaben.
Eben deshalb beschrieb ich die Anomalie als "kleiner". Sie ist und bleibt ein Nebenschauplatz, der sich nur begrenzt auf die zentralen Geschehnisse auswirkt. In den jüngeren Helge-Romanen wurde diese Abgrenzung (das "außen vor stehen") schwächer beziehungsweise die Einbindung des Alten Volkes größer, was in der Form, in der es geschehen ist, aus meiner Sicht eher negativ zu bewerten ist, weil es die eigentliche Geschichte, die aus dem X-Universum, in die Irrelevanz treibt, obwohl sie der Fixpunkt der Romane sein sollte. Aber das führt an dieser Stelle zu weit.
Nun habe ich mal geschlossen, dass die "Satirikerin" von S. 115 und die "Satirikerin" von S. 52 identisch sind, damit musste ich beides, Satz und Aussage, in ihrem Auftritt unterbringen. Gleichzeitig konnte dies kein gewöhnlicher Kabarettauftritt sein. Er muss große Wellen geschlagen haben, selbst auf Argon, sprich im Ausland. Denn wenn man bedenkt, dass die Überzeugung, Anthea sei wirklich Prinzessin und Aldrin wirklich Monarchie gewesen, später fester Teil der offiziellen argonischen und(!) gonerischen Geschichtsüberlieferung geworden ist, wäre alles andere nicht logisch. Deswegen konnte ich Hendersna keine locker flockigen Politwitzchen erzählen lassen, sondern benötigte schon einen kleineren Skandal von ihrer Seite.
Gut, das ist eine Argumentation, der ich durchaus zustimmen kann. Wenn man die beiden Aussagen und die Folgen auf die Geschichtsschreibung auf diesen Auftritt zurückzuführen beabsichtigt, muss es sich bei dem Auftritt fast zwangsweise mehr um einen Skandal als um ein Kabarettprogramm handeln.
An der Stelle sei dann einmal generell vermerkt, dass die argonischen Geschichtswissenschaften offensichtlich sehr schlecht ausgestattet und ausgebildet sind. Ob nun Erde oder Aldrin. Aber auch das wieder ist dem Konzept des Universums geschuldet - und wer Geschichte durch den Gründungsmythos der Föderation ersetzen kann, vermag es sicherlich, eine verlorene Kolonie falsch zu betrachten.
Ferner: meinen Respekt für die Detailarbeit mit Hinblick auf die Zitate, Verweise und Verknüpfungen.