Story: Humko Du (732-739)

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Boro Pi
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Story: Humko Du (732-739)

Post by Boro Pi » Fri, 30. Jul 04, 14:24

Humko Du: Blut und Wasser

Kapitel 1 - Nummer Eins (732)

Mit jedem Kilometer, der die ‚Fröhliches Wasser’ weiter von ‚Königstal’ wegbrachte, wurde die Reise langweiliger für den kleinen boronischen Jungen. Humko war noch keine sechs Jazuras alt, aber er hatte schon viel mehr Raumflüge mitgemacht als die meisten seiner Altersgenossen. Doch diesmal war es das erste mal, dass seine Mutter ihn auf eine so lange Reise mitnahm. Bisher war der Sektor ‚Ceos Buckzoid’ der entfernteste gewesen, den er jemals besucht hatte. Nun flogen sie nach ‚Glücksplaneten’, wo das Königinnenreich vor einigen Mazuras einen Forschungsaußenposten errichtet hatte. Dort waren Wissenschaftler stationiert, die die dortigen Planeten erforschen und für eine spätere Kolonisation im Jazura 743 vorbereiten sollten. Humko hatte seine Mutter immer wieder gefragt, wieso es den so lange dauert ein System für die Kolonisation vorzubereiten. Boli Du legte dann immer liebevoll ihren Tentakel um ihren Sohn und versuchte ihm zu erklären, dass er, wenn er erst älter sei, verstehen würde, dass diese elf Jazuras eigentlich eine sehr kurze Zeit seien. Doch dem kleinen Humko erschien die Zeitspanne fast eine Ewigkeit zu sein.
Am Fenster seiner Kabine zogen langsam einige Asteroiden vorbei, seine Mutter hatte ihm erzählt, dass die Paraniden glaubten, dass sie jede Menge Nividium enthalten würden und hielten die Asteroiden daher für heilig. Aus diesem Grunde hatten sie dieses Sonnensystem bisher auch nicht besiedelt, beanspruchten es aber dennoch für sich und hatten den Sektor den Namen ‚Reich des Pontifex’ gegeben. Es war das Erste von vier unbewohnten Sternensystemen, die sie auf ihrer Reise passieren würden. Humko beobachtete sonst immer aufmerksam die vielen Schiffe, die an dem langsamen Delphinfrachter seiner Mutter vorbeizogen. So hatte er schon viele Schiffe der Boronen, Argonen und Teladi aus nächster Nähe gesehen, in ‚Ceos Buckzoid’ sogar einmal einen Kampfjäger der Split. Und in den letzten Tazuras hatte er viel Gelegenheit, sich auch mit den Schiffen der Paraniden bekannt zu machen. Doch seit sie die unbewohnten Systeme erreicht hatten, waren sie völlig alleine. Es gab nichts mehr zu bestaunen und es gab auch keine Kinder an Bord von anderen Schiffen mit denen er über Funk hätte reden können, was Humko sonst sehr gerne tat. Er hatte schon eine Menge Freundschaften mit anderen boronischen und argonischen Kindern, sowie einem steinalten Goner, geschlossen.

Als seine Mutter bemerkte, dass er sich langweilte bot sie ihm an, dass er ein bisschen das Schiff fliegen könnte. Humko schwang sich sofort freudestrahlend auf den Pilotensitz. Seine Mutter schwamm in ihre Kabine, um sich etwas auszuruhen. Es war nicht das erste mal, dass sie Humko fliegen ließ, auch wenn er es eigentlich aufgrund seines Alters noch nicht durfte. Allerdings wusste sie, dass er es mittlerweile so gut konnte, dass sie ihm dabei nicht über die Schulter schauen musste. Außerdem war die ‚Fröhliches Wasser’ auch nicht schwer zu bedienen und viel zu langsam als dass Humko auf irgendetwas nicht rechtzeitig hätte reagieren können. Sie legte sich beruhigt hin.
Humko erreichte den nächsten unbewohnten Sektor, auch hier gab es absolut nichts Interessantes für ihn zu entdecken. Doch nach einigen Mizuras sah er das Tor, auf das er zuhielt, kurz aufblitzen, ein weiteres Schiff musste das System erreicht haben. Neugierig rief er die Scannerdaten auf. Er stieß einen langen Angstschrei aus, der seine Mutter sofort weckte. Sie stürzte ins Cockpit und fragte ihren zitternden Sohn, was los sei.
„Xenon!“ schrie er.
Boli schob ihren Sohn zur Seite und übernahm wieder selber die Steuerung, sie überflog die Angaben des Bordcomputers über die Flugbahn des feindlichen Schiffes. Es gab keinen Zweifel, es hatte Kurs auf den Delphin genommen: „Zieh sofort deinen Raumanzug an, Humko, und begib dich in die Notschleuse.“
Humko schoss in seine Kabine, während Boli den Frachter wendete und auf allen Frequenzen um Hilfe rief. Sie wusste, dass es sinnlos war, die ‚Fröhliches Wasser’ war zu langsam um den Kampfschiff zu entkommen, und sie waren zu weit von den bewohnten Systemen entfernt als das ihnen irgendjemand rechtzeitig zu Hilfe kommen könnte. Als sie das Schiff endlich gewendet hatte, stand der Frachter schon unter Beschuss. Sie stürzte in ihre Kabine, um ihren Druckanzug anzulegen und hielt anschließend auf die Notschleuse zu, doch kam zu spät.

Mit einer unglaublichen Kraft schleuderte das Notfallsystem Humko aus der Schleuse. Nach dem ersten Schock blickte er sich um und sah das Schiff seiner Mutter hinter sich explodieren. Ein glühendes Wrackteil sauste knapp an ihn vorbei. Er versuchte seine Mutter ausfindig zu machen, sie musste hier doch auch irgendwo in ihren Raumanzug herumfliegen. Wieso war sie nicht zu sehen, sie musste doch hier sein? Sie musste!
Mit lauten Donnern flitzte das Xenonschiff wenige Längen an ihm vorbei und steuerte das Nordtor an, es kümmerte sich nicht weiter um den schiffsbrüchigen Jungen oder der verlorenen Fracht. Man hatte Humko häufig erzählt, dass die Xenon nie etwas ihrer Opfer einsammeln, sie interessierten sich nur für die Zerstörung des Zielobjekts, niemals für den technologischen oder finanziellen Gewinn, den man durch einsammeln der Wrackteile bekommen könnte. Bei aller Angst, die Humko vor den Maschinenwesen hatte, war er doch schon immer fasziniert davon gewesen wie präzise die Xenon Zerstörung betrieben. Seine Mutter hatte ihm dann jedes Mal zu erklären versucht, dass an der Zerstörung, die die Xenon betrieben, nichts präzise oder faszinierend sei. Nun war sie selbst Opfer dieser Zerstörung geworden, einer faszinierend präzisen Zerstörung wie es Humko durch den Kopf ging. Tatsächlich war er von der Art, wie die Maschine angegriffenen hatte fasziniert. Dennoch machte sich in ihn ein grenzenloser Hass auf die Xenon breit.
Er startete die Düsen seines Raumanzuges und nahm die Verfolgung des Kampfschiffes auf, was natürlich vergeblich war, denn der Antrieb des Schiffes des Typs M war seinen lächerlichen Düsen weit überlegen. Bald schon konnte Humko das Schiff nicht mehr sehen, eine Mizura später verriet das Aufblitzen des entfernten Sprungtores, das der Xenon das Sonnensystem verlassen hatte.
Stazuras vergingen in denen der Raumanzug Humko nur sehr, sehr langsam dem Tor näher brachte. Schließlich fielen die Düsen völlig aus, der geringe Treibstoffvorrat des Anzuges war aufgebraucht. Ängstlich blickte Humko in die ihm umgebene Leere. Das Tor lag vor ihm, zwei wunderbare Zwillingsplaneten mit großen Ozeanen hinter ihm. Alles sichtbar, alles unerreichbar.

Er wusste nicht wie viel Zeit vergangen war, es schien ihm länger als jede Ewigkeit nur sein konnte. Das Tor hatte wieder aufgeblitzt und nach einiger Zeit konnte Humko die Umrisse eines kleinen Frachtschiffes paranidischer Bauart erkennen, das sich gemächlich seiner Position näherte. Es war selbst für ein Frachtschiff ungewöhnlich langsam und dunkel, selbst das Leuchten des Antriebes schien abgedunkelt zu sein. Humko hatte noch nie ein solches Schiff gesehen, aber er wusste, was es war. Ein Piratenschiff.
Es kam immer näher und näher, bald schon konnte Humko Details erkennen, wie die Bordkanone, die normale Frachter nicht besaßen. Nun sah er auch die Frachtluke, die langsam auffuhr. Das fremde Schiff bremste kurz vor ihm noch etwas ab und schob sich dann über Humko und verschlang ihn.
Das automatische Frachtsystem schloss die Frachtluke hinter ihm und warf ihn dann unsanft, wie eine Kiste Ladung in den Bauch des Piratenschiffes. Im Frachtraum war es sehr dunkel, Humko konnte nichts erkennen. Erst nach einiger Zeit nahm er Konturen von großen Frachtkisten und Fässern war. Hinter einem der Fässer schien sich kurz etwas zu bewegen.
Plötzlich war der Raum hell erleuchtet, hinter seinem Rücken hörte Humko ein knarrendes Geräusch. Er drehte sich um und blickte zu einem älteren Split hinauf. Dieser beäugte Humko ganz genau, nahm ihn hoch, zerrte an seinen Tentakeln und schlug ihn kräftig, weswegen Humko laut aufschrie. Dabei blickte der Split ihn interessiert in den Rüssel. Humko versuchte sich die ganze Zeit über vergeblich zu wehren. Das wilde Gezappel des kleinen Boronen störte den ausgewachsenen Split nicht im geringsten. Der Split warf Humko in eine Ecke: „Boronding ist gesund und jung, wird mir viele Credits auf dem Sklavenmarkt bringen. Kreatur findet Futter in Kiste neben sich.“
Der Split drehte sich um und verlies den Frachtraum wieder, im gleichen Moment ging auch das Licht wieder aus. Humko kramte gierig in der Kiste herum auf die der Pirat gezeigt hatte und fand darin tatsächlich mehrere Stücke Bofu. Ein sehr kleines wassergefülltes Kraftfeld hatte sich um die Kiste herum aufgebaut. Ausgehungert wie er war, nahm er seinen Helm ab und drückte sich schnell das größte Stück Bofu in den Rüssel. Nach einigen Mizuras kam es ihm wieder so vor als hätte sich hinter den Fässern etwas bewegt. „Hallo!“ rief er.
„Lass uns in Ruhe!“
„Wer bist du oder seid ihr?“
„Lass uns in Ruhe!“ wiederholte der Unbekannte.
Humko setzte seinen Helm wieder auf und schwebte langsam und vorsichtig um die Fässer herum. Dort saß ein zusammengekauerter paranidischer Jugendlicher und rührte missmutig in einer Schale Sojagrütze. Humko setzte sich neben ihn: „Bist du auch ein Sklave, Diener und ein Opfer von diesen Split?“
„Ja.“
„Wie heißt du und wirst du genannt?“
„Klikmanckkahsung. Und jetzt lass uns in Ruhe!“
Humko kehrte in seine Ecke zurück und aß noch ein Stück Bofu. Er hatte keine Angst, er dachte rational genug um festzustellen, dass sich seine Lage schon deutlich verbessert hatte. Er hatte es jetzt lediglich noch mit einem Piraten zu tun und nicht mehr mit Xenon. Er wartete.

Humko hatte genug Raumflugerfahrung um die leichte Erschütterung eines Tordurchgangs von anderen Turbulenzen unterscheiden zu können. Demnach hatten sie drei Tore passiert. Während der ganzen Zeit hatte weder er selbst, noch Klikmanckkahsung ein Wort gesprochen. Auch hatte sich der Split kein weiteres Mal blicken lassen. Humko hatte darüber nachgedacht, wie er fliehen könnte, und nach und nach wurde ihm klar, dass es dafür nur eine Möglichkeit gab, er musste den Split überwältigen. Der Xenon ging ihn wieder durch den Kopf. Ja, der Split war sein Zielobjekt und er, Humko, musste ihn ausschalten. Nur wie? Es gab im Frachtraum nichts, dass man auch nur annähernd als Waffe hätte gebrauchen können. Natürlich nicht, der Split transportierte sicher häufiger Sklaven. Die Kisten und Fässer hatten keinerlei scharfe Spitzen oder Kanten, und der robuste Kunststoff, aus dem sie gefertigt waren, ließ sich nicht zerschlagen. Er hatte es eine Zeitlang versucht, in der Hoffnung ein scharfkantiges Bruchstück heraus zu brechen. Auch der Inhalt der Kisten gab nicht viel her. Humko hatte alle gründlich untersucht, keine war verriegelt, doch enthielten sie nur verschiedene Nahrungsmittel und Getränke, sowie jede Menge Raumkraut. Der Paranide beobachtete Humko mit wenig Interesse, schließlich sagte er: „Erkenne endlich, Winzling, es gibt keinen Fluchtweg.“
„Hast du hier auch schon alles abgesucht, überprüft und unter die Lupe genommen?“
„Natürlich, haben aber nichts Dienliches entdeckt, nur jenes Seil dort drüben, aber damit kann man auch nichts anfangen.“
Humkos Blick fiel nun auf die Wand zu der Klikmanckkahsung zeigte, dort hing tatsächlich ein sehr langes Seil, das dem Boronen vorher in der Dunkelheit noch gar nicht aufgefallen war: „Damit könnten wir doch eine lustige, einfach und dennoch gute Stolperfalle bauen, konstruieren und erschaffen.“
Der Paranide klang sehr ungehalten: „Hälst du uns eigentlich für so stupide, Winzling? Das haben wir auch schon versucht. Aber der Kerl kennt den Trick, deswegen schaltet er immer das Licht an, wenn er hineinkommt. Der analysiert exakt, wohin er schritt. Er hatte das Seil sofort entdeckt und schlug es genüsslich mit seinem Langdolch entzwei. Haben uns damals eine ordentliche Tracht Prügel eingehandelt.“
Humko ließ seinen Blick durch den finsteren Raum gleiten: „Er guckt, schaut und sieht genau hin und schlägt das Seil dann mit seinen scharfen, unfeinen aber schönen Dolch durch?“
„Ja, ja, ja! Bist du taub?“ schrie Klikmanckkahsung.
„Ich habe eine Idee, Klikmanckkahsung, lustiger, noch garnicht so großer Paranide, aber du musst mir dabei helfen und mich bei meinen witzigen Vorhaben unterstützen.“

Py t’Lhht rieb sich vergnügt die Hände als sein Schiff im Hangar der Piratenbasis ‚Priesters Gnade’ aufsetzte, er würde heute viele Credits verdienen, er konnte den Piraten jede Menge Raumsprit und Raumkraut verkaufen. Außerdem hatte er zwei erstklassige Sklaven an Bord, jung und gesund, also sozusagen unbenutzt. Er würde bei der Sklavenversteigerung einen guten Preis für die beiden erhalten, da war er sicher. Er ging zunächst in die Spelunke ‚Zum Henker’ einen Trinken, um neues Gerede aufzuschnappen und um zu erwaren, wann die nächste Sklavenversteigerung angesetzt war. Zwar konnte man die Sklaven jederzeit an einen an Bord ansässigen Zwischenhändler verkaufen, doch brachte es meist deutlich mehr, wenn man bis zur nächsten Versteigerung wartete. Erfreut erfuhr er von Lormancketnul, dem Wirt, dass schon in einer Inzura, die nächste ‚Auktion’ anlief.
Py t’Lhht meldete sich gleich mit zwei Sklaven für die Versteigerung an und beglich die Anmeldegebühr. Danach ging er gut gelaunt zu seinem Schiff zurück und suchte aus der großen Steintruhe, die er in seinem Cockpit aufbewahrte, die passenden Fesseln für seine Sklaven. Er ging auf die Tür zum Frachtraum zu und betätigte den Lichtschalter. Er öffnete die knarrende Tür und blickte, wie immer, zunächst auf dem Boden des hell erleuchteten Raums. Er grinste als er das Seil erblickte, das direkt hinter der Tür in Schienbeinhöhe straff gespannt war: „Dumme Kreaturen versuchen es doch immer wieder!“
Blitzschnell zog er seinen Langdolch, hieb kräftig auf das Seil ein und durchtrennte es in Milisezuras. Der linke Teil des Seils fiel erwartungsgemäß schlaff zu Boden, der Rechte jedoch schoss in hohem Tempo davon. Der Blick des verwunderten Split folgte dem Seilende und er bemerkte erst jetzt, dass jemand seine gesamte Fracht rechts hinter der Tür zu einen großen Turm aufgestapelt hatte. Die wackelige Konstruktion war festgebunden, damit sie nicht umfällt und hing an eben jenen Seil, das er soeben durchtrennt hatte. Gnadenlos stürzte sich jetzt der bis knapp unter die Decke reichende Kistenkoloss auf den Piraten und begrub ihn unter sich.
„Interessant, das hat wirklich funktioniert!“ Anerkennung klang in Klilmanckkahsungs Stimme mit.
„Ja – und ja“ dokumentierte Humko kurz, er war zum Kistenhaufen geschwebt und zerrte an einen Fass, dass direkt auf den Rücken des begrabenen Splits lag: „Hilf mir bitte einmal, Klikmanckkahsung, kürzlich befreiter Paranide, ich will und möchte seinen stolzen und mächtigen Handlaser haben.“
Mithilfe des kräftigen Paraniden holte er sich den Laser und machte mit dem Dolch einen langen Kratzer in die Seite der Feuerwaffe. Klikmanckkahsung blickte ihn fragend an.
„Nummer Eins“ sagte Humko und deutete auf den erschlafften Körper des Splits.
Sie verließen das Schiff und erkundeten die Gänge der Piratenbasis, der kleine Borone hatte sich den Waffengürtel von Py t’Lhht umgeschnallt. Die lange, aber dennoch leichte Split Handwaffe schleifte leicht über den Boden. Die meisten Piraten beachteten die beiden nicht, doch einige beäugten sie interessiert und amüsiert.
Bald fanden Humko und Klikmanckkahsung die Haupthalle der Station. Dieser große Raum befand sich in der Nähe des Hangars. Hier herrschte ein hektisches Treiben. Piraten aller Spezies bevölkerten den Saal und waren kräftig am Feilschen. Einige Schmuggler hatten sogar richtige Verkaufsstände. In der Mitte der Halle war ein kreisrunder, mit Sand gefüllter Ring, in dem Berufskämpfer gegen Kampfsklaven oder auch freiwillige Herausforderer antraten. Grölende Horden von Zuschauern umringten die Arena und griffen gelegentlich auch aktiv in das Getümmel ein, Regeln gab es keine.
Vielerlei Waren wechselten schnell ihren Besitzer. Es wurde Raumsprit in Flaschen, Fässern und sogar Treibstoffkanistern gehandelt, Raumkraut in verschiedenen Stärken, Raumfliegenlarven und auch ausgewachsene Exemplare der großen Insekten, sowie viele andere legale und illegale Güter. Einige uniformierte und schwer bewaffnete Piraten schritten an verschiedenen Stellen durch die Menge. Sie gehörten dem Syndikat an, das die Station betrieb und sorgten für ein gewisses Maß an Ordnung und Sicherheit an Bord. Humko und Klikmanckkahsung setzten sich an einer Seitenwand der Halle auf den Boden und schauten sich das wilde Durcheinander an. Nach etwa einer Inzura trat ein Argone, der die Uniform der Stationssicherheit trug, an die beiden heran und beugte sich zu Humko hinunter. Er machte eine kurze Handbewegung in die Richtung der Splitwaffe, die der Borone an seinem Gürtel trug: „Sind wir dafür nicht noch ein bisschen zu jung?“
„Das geht schon in Ordnung, er gehört zu uns“ sagte Klikmanckkahsung. Der Argone schaute nun grinsend zu dem Paraniden hinüber. Klikmanckkahsung war zwar ebenfalls noch nicht volljährig, aber doch schon deutlich älter als Humko. Es war nicht ungewöhnlich, dass Jugendliche seines Alters schon eine Karriere als Frachterpilot oder als Pirat begonnen hatten. Der uniformierte Pirat sah ihn kurz an, richtete sich dann wieder auf und wandte sich zum gehen. Nach ein paar Schritten drehte er sich nochmals um: „Passt gut auf euch auf, ihr Grünschnäbel.“
„Wo sind die dreckigen Zwerge!“ schrie plötzlich eine Stimme. Sie kam aus der Richtung des Hallentores, das zum Hangar führte. Und da stand er, Py t’Lhht, sein linker Arm hing regungslos herunter und mit dem Rechten stützte er sich auf eine Krücke. Offene Wunden und Quetschungen liefen über den ganzen Körper des Splits. Er hatte erhebliche Schwierigkeiten sich aufrecht zu halten. Trotz des Getümmels fand er die beiden am anderen Ende der Halle recht schnell.
„Das da sind meine Sklaven, sie gehören mir!“ rief er den Anwesenden zu. Die Wachen blickten ernst zu Py t’Lhht herüber, anschließend fiel ihr Blick auf Klikmanckkahsung und Humko, welcher den Handlaser gezogen hatte. Die Sicherheitsleute der Station waren unschlüssig, ob sie dem Sklavenhändler helfen sollten oder nicht. Plötzlich fuhr ein Laserblitz durch die Menge, sauste oft nur Millimeter an einzelnen Piraten vorbei und fuhr dann den verletzten Split in die Brust. Py t’Lhht brach tot zusammen, alle Augen richteten sich auf Humko, in dessen Tentakel die leicht dampfende Feuerwaffe lag. Klikmanckkahsung schrie ihn panisch an: „Du kannst doch nicht einfach unkontrolliert drauflos feuern, Humko!“
Fast eine halbe Mizura verstrich in der sich kein Einziger rührte oder etwas sagte. Dann senkte der junge Borone die Waffe wieder und drehte sich dem Paraniden zu: „Wieso und warum, ich habe doch getroffen?“
Wieder war es einige Sezuras still, doch dann lachte ein argonischer Pirat laut auf. Bald fielen alle ein.

Kapitel 2 - Der Auftrag (736)

Py t’Lhht hatte seinem Schiff den Namen ‚Sohn der Großfamilie’ gegeben, doch hatten sich Klikmanckkahsung und Humko Du bald, nachdem sie ihn getötet hatten, überlegt es umzubenennen. Sie entschieden sich für eine Veralberung des ursprünglichen Namens und nannten den Ganymedfrachter daher ‚Vollwaise’.
Langsam schob sich die ‚Vollwaise’ aus den Schleuse der Handelsstation ‚Blauer Profit’. Klikmanckkahsung steuerte das Schiff drei Kilometer über die Ebene der Ekliptik, in der auch die Tore lagen. Dort unten war der Schiffsverkehr entsprechend dicht, doch hier oben konnte er unbesorgt einige Zeit das Cockpit verlassen ohne den Zusammenstoß mit einem anderen Objekt befürchten zu müssen. Er stand auf und ging in Richtung des kleinen hinteren Frachtraums, den die beiden jungen Piraten zu Humkos Quartier ausgebaut hatten. Er hatte sich daran gewöhnt an Bord ständig Magnetstiefel zu tragen, so dass er sich problemlos in Humkos Quartier bewegen konnte. Der Borone musste als Wasserbewohner im Umweltbereich anderer Spezies ständig einen Schutzanzug tragen, weil sonst seine Haut austrocknen würde. Klikmanckkahsung brauchte hingegen nur kurz eine Taucherbrille mit eingebauter Atemluftversorgung aufsetzten, wenn er Humkos Quartier betrat. Für ihn war der Wechsel des Umweltbereichs nichts anderes als ein kurzer Tauchgang.
Ein lautes Knallen erklang regelmäßig aus Humkos Quartier und verriet dem Paraniden schon lange bevor er eintrat, dass der Borone dabei war, mit seiner neuen Peitsche aus Cheltleder zu üben. Waffen aller Art waren sein Hobby geworden und er hatte durch viel Übung gelernt, meisterhaft mit jeder Einzelnen umzugehen. Seine guten Augen halfen ihm natürlich sehr dabei.
Als Klikmanckkahsung eintrat sah er Humko augenblicklich herumschnellen und dessen Peitsche auf sich zufliegen. Noch bevor er erschreckt aufschrie, knallte die Spitze der Lederwaffe laut einen Zehntel Millimeter vor seinem Gesicht ohne es zu berühren.
„Beeindruckt und fasziniert?“ fragte Humko als er in aller Ruhe die Peitsche wieder aufrollte und an ihren Platz in seiner Waffensammlung hängte.
Dem Paraniden steckte der Schreck noch deutlich sichtbar in den Knochen: „S..., sehr sogar, Humko. Du sollst dies nie wider tun, ja?“
„Ja – und ja, Klik. Warum bist du nicht im Cockpit und am Steuer?“ Humko sprach Klikmanckkahsung meistens mit der Kurzform Klik an. Der Paranide hatte bald aufgehört ihn darauf hinzuweisen, dass er ihn nicht so nennen sollte, denn er erkannte, dass es Humko eh weiter tun würde.
„Ich wollte dich bitten mit dieser Knallerei aufzuhören, das geht mir nämlich sehr auf die Nerven. Es ist noch ein langer Weg zum ‚Erzgürtel’ und ich wollte dort einigermaßen entspannt ankommen.“
„Du bist zu weich geworden, Klik. Du denkst, fühlst und erlebst schon viel zu sehr wie ein Händler und fast gar nicht mehr wie ein Pirat. Hey, wir wollten doch Piraten sein, Abenteuer erleben und unfeine und böse Probleme mühelos beseitigten, wollten wir es nicht?“ Er hatte seinen alten Handlaser genommen und streichelte ihm liebevoll. Als er „Probleme mühelos beseitigen“ sagte, fiel sein Blick gerade auf die mittlerweile sieben Kerben in der Seite der Waffe. Humko benutzte zwar die Splitkanone schon lange nicht mehr, er bevorzugte einen paranidischen Laser, doch behielt seine erste Strahlenwaffen immer einen besondern Platz in seiner Sammlung. Und nur auf dieser Waffe machte er seine Kerben.
Klikmanckkahsung blickte ernst auf den Boronen hinunter: „Wir analysieren Probleme wie ein Schmuggler, Humko, also sowohl wie ein Händler als auch wie ein Pirat. Und du weißt, wie wichtig dieser Flug ist. Nur wenn wir Keucologis rechtzeitig sein Raumkraut liefern, können wir unsere Schulden bei ihm begleichen. Und wenn wir die nicht bald weghaben, wird er uns jede Menge Kopfgeldjäger auf den Hals hetzen!“
„Ach, die sollen es nur wagen und kommen“ sagte Humko beiläufig.
„Es sind schon viele an Überheblichkeit gestorben, Humko!“
„Stimmt!“ antwortete dieser und drehte sich zu seiner Waffensammlung um: „Exakt und genau sieben Stück. Nein nicht, du hast schon Recht. Flieg ruhig weiter, ich habe für heute sowieso genug geübt. In einer halben Stazura löse und wechsle ich dich ab.“
Klikmanckkahsung verließ den Raum und übernahm wieder die Steuerung des Schiffes. Humko legte sich auf sein Bett aus Algenseide und betrachtete stolz seine Sammlung, die er an die Wand gehängt hatte. Außer der Peitsche, Py t’Lhht alter Waffe und dem paranidischen Handlaser, besaß er noch ein argonisches Präzisionsstrahlengewehr, eine Teladi Projektilwaffe und acht Dolche, von denen die meisten aus paranidischen Schmieden stammten. Unter den Waffen stand ein kleiner, unscheinbarer weißer Kasten auf den Boden, auf ihn war Humko besonders stolz, seine selbstgebaute DY2- Zeitbombe. Seine erste Bombe, die viel schwächere DY1, hatten sie mal in einen Frachtcontainer eingebaut und getestet. Irgendwann würde er auch die Neue testen können, und zwar an einen richtigen Ziel. Auch gingen ihn schon Pläne für noch schwerere Bomben durch den Kopf, die zudem noch für Scanner unsichtbar sein sollten. Doch das war zurzeit nur bloße Träumerei.
Genauso wie sein Traum irgendwann nicht mehr nur das öde Schmugglerleben, das Klikmanckkahsung gewählt hatte, zu teilen, sondern als gut bezahlter Kopfgeldjäger durchs All zu reisen. Er schoss gut und hatte ja bereits sieben Leute, die ihn mal Ärger gemacht hatten, in andere Sphären geschickt. In den Schmugglerkneipen war er schon bekannt und man machte ihm ehrfürchtig Platz. Doch für die Syndikate war er nur ein Anonymus. Aber er war bereit, jederzeit die Chancen zu nutzen, die sich ihn boten das zu beenden.

Die ‚Vollwaise’ flog gemächlich durch die Asteroiden des ‚Erzgürtels’. Unangenehme, lange verdrängte Erinnerungen durcheilten Humkos Gehirn als die großen Felsbrocken langsam an dem Fenster seines Quartiers vorbeizogen. Schnell befahl er dem Computer das Fenster völlig zu verdunkeln. Es dauerte noch über eine Quazura bis er eine Kursänderung des Schiffes wahrnahm. Klikmanckkahsung wendete den Ganymed um in der Piratenbasis anzudocken.
Die Teladi Teitizomas Joleomedis Keucologis VI. war wohl die bedeutendste Hehlerin in der südlichen Argon Föderation. Sie hatte sich in der Piratenbasis ‚Erzgürtel’ ein richtiges Büro eingerichtet, dass mehr an die kaufmännische Abteilung einer Spedition erinnerte als an eine Hehlerstube. Keucologis war dafür bekannt eine unerbittliche Verhandlungsgegnerin zu sein und angeblich kannte sie die „Großen Bosse“ alle persönlich.
Humko und Klikmanckkahsung hielten zielstrebig auf ihr Büro zu. Der Paranide schaute besorgt aus: „Wir sind fast eine Stazura in Verzug, Keucologis wird uns in der Luft zerreißen.“
Die Hehlerin saß hinter ihrem für Teladi etwas zu großen Schreibtisch. Mit einem hämischen Gesichtsausdruck blickte sie den beiden Hereinkommenden entgegen. Auf der anderen Seite seines Schreibtisches stand ein zufrieden dreinblickender Argone.
Die Teladi war völlig ruhig: „Ach, sssieh an, die Herren Klikmanckkahsung und Humko Du, wisssen Sie eigentlich wie spät es ist?“
„Verziehen Sie, aber wir waren gezwungen eine Kontrolle in ‚Rolks Los’ zu umfliegen, so etwas nimmt halt Zeit in Anspruch“ erklärte Klikmanckkahsung.
„Ja, aber auf so etwas musss man vorbereitet sein. Alssso wie gedenkt Ihr beide jetzt Euere Schulden zu bezahlen?“
„Eh, wir haben doch dein geordertes Raumkraut im Frachtraum, wir überlassen Dir die Güter gerne billiger, sozusagen als Anzahlung.“
„Wir überlassen Dir die Güter gerne billiger“ äffte Humko mit beleidigter Stimme seinen paranidischen Freund nach. Alle blickten ihn an, Klikmanckkahsung entsetzt, der Argone verwundert und Keucologis mit einem ungewöhnlich interessierten Blick.
Die Teladi ignorierte den Zwischenfall bei ihrer Antwort: „Nein, Klikmanckkahsung, dasss Geschäft ist vorbei. Ich habe mein Raumkraut nun bereits bei diesen Herrn gekauft, er bringt esss mir übermorgen zu einem Preisss, der weit unter dem Herstellungskosten liegt.“
„Aber unser Raumkraut kannst Du doch umgehend bekommen,“ wandte der Paranide ein.
„Nein, Klikmanckkahsung, wie ich ssschon sagte, dasss Geschäft ist vorbei. Jetzt gehe ich auf das Alternativangebot ein, ich habe da meine Prinzipien. Aussserdem kommt mein Käufer erst in drei Tazuras, Zeit habe ich also auch.“
„Wer ist dieser frech grinsende und unlustige Kerl da überhaupt? Und wo will er die Ware unter Produktionspreis kriegen und erlangen?“ fragte Humko an Keucologis ohne den Argonen anzusehen. Keucologis blickte nun den Menschen auffordernd an.
Die Stimme des Argonen klang sehr überheblich: „Mein Name ist Hanez Tolli, kleiner Borone. Ich bin ein unabhängiger Pirat. Der Trick so günstige Angebote zu machen ist einfach, ich entere einfach die Ladung anderer Händler und Piraten.“
Humkos Blick schien leer und abwesend: „Unabhängige Piraten und Freibeuter werden selten vermisst, werden sie es?“
„Eh, ...was?“ fragte Hanez irritiert.
„Glaube schon,“ beantwortete Keucologis Humkos Frage. Kurz schien es so als ob sich ihre Schuppenfinne amüsiert aufrichtete.
„Und wieso und woher wollen Sie wissen, dass Sie bis übermorgen genug Raumkrautfrachter erwischen, abfangen und entern, Tolli?“ warf Humko ein. Er blickte den Argonen jetzt zum ersten Mal an.
„Oh, das brauche ich nicht. Ich habe genug Raumkraut in meinen geheimen Lager.“
„Ein geheimes, verborgenes und verstecktes Lager?“ fragte Humko interessiert nach.
„Ja, absolut top secret. Nur ich kenn die Lage“ sagte Hanez mit hörbaren Stolz.
„Und nur Sie kennen die Lage, Position und Koordinaten?“
„Ja, Borone! Aber diese Unterhaltung wird mir allmählich langweilig.“
Humko zog in Windeseile seinen Laser und drückte ab: „Dann sollten wir das Gespräch beenden.“
Der tote Argone sackte im Stuhl zusammen. Humko verstaute seine Waffe wieder sorgsam an seinem Gürtel, er blickte kurz zu Klikmanckkahsung auf: „Nummer Acht.“
Danach drehte er sich der noch immer völlig ruhigen Teladi zu: „Und nun, Keucologis, weise und gerissene Hehlerin?“
„In Anbetracht der Tatsache, dasss das Alternativangebot jetzt wohl ausfällt, sind wir wieder im Geschäft. Klikmanckkahsung, euer Schuldenproblem issst damit dann auch gelöst. Und für Dich, Humko Du, hätte ich einen neuen Auftrag, fallsss Du interessiert bissst.“
„Gehe ich recht in der Annahme und irre mich nicht, dass es sich dabei um keinerlei langweiligem und ewiger Routine ähnlichem Transportauftrag handelt?“
„Richtig, Humko.“

Humko war noch immer damit beschäftigt, sich mit den Armaturen des kleinen Schiffes vertraut zu machen. Keucologis hatte ihn ein Scoutschiff des Typs Wolf geliehen. Da er aber bisher nur Frachter geflogen hatte, war ein Testflug mehr als erforderlich. Er sauste nun schon über eine Quazura um die Piratenbasis herum. Sein Kommunikationsbildschirm flammte auf, Klikmanckkahsung blickte ihn ernst an: „Wir fliegen jetzt nach ‚Priesters Gnade’, um zu sehen, was es da zu tun gibt. Mache es gut, Humko, vielleicht begegnen sich unsere Pfade einst wieder.“
„Ja – und ja, garantiert!“ beteuerte dieser. Ihm war wehmütig ums Herz als er sich von seinen Freund verabschieden musste, den Freund, dem ihn das Schicksal an die Seite gestellt hatte, und mit dem er ganze vier Jazuras seines kurzen Lebens zusammen auf einen Schiff gewohnt hatte. Doch es war sicher das Beste für beide. Klikmanckkahsung war ein Schmuggler und ein Kaufmann, er konnte besser mit Finanzen umgehen als die meisten Teladi, er besaß Charisma und Führungsqualitäten. Wenn es notwendig wurde, war er auch ein exzellenter Kämpfer, allerdings war er eher ein ruhiger Zeitgenosse. Humko war sich sicher, dass er einen hervorragenden Verwalter einer Raumstation oder einer Firma abgeben würde, wenn er die Möglichkeit dazu hätte. Vielleicht würde er es auch einmal werden, wer kannte schon die Zukunft. Doch war klar, dass er nicht dafür geeignet war, Humko auf den Weg, den dieser nun gewählt hatte, zu begleiten.
Humko hatte seinen ersten Auftrag als Killer bekommen. Wenn alles funktionierte, würde er sich in der Branche einen Namen machen. Wer die Aufträge Keucologis erfolgreich meisterte, konnte normalerweise bald danach mit Jobs der Syndikate rechnen. Nach den ersten berauschenden Flugmizuras mit dem Wolf, hatte er sich auch schon entschieden, die Credits, die er mit seiner neuen Karriere verdienen würde, für Schiffe auszugeben. Natürlich wollte er ein boronisches Kampfschiff fliegen, also einen ‚Piranha’ oder eine ‚Wespe’. Und dann hatte er auch Gerüchte gehört, dass die Ingeneure der Königlichen Schiffswerft angeblich dabei waren ein neues Kampfschiff zu entwickeln, das ‚Aal’ heißen soll. Sollte das stimmen, würde er sich natürlich eines der ersten Exemplare zulegen, aber derzeit waren das ja nur Gerüchte.
Er kreiste noch zwei weitere Quazuras um die Raumstation herum und flog Slalomkurse durch den Erzgürtel. Die ‚Vollwaise’ hatte schon lange den Sektor verlassen, Humko hatte den Flug Klikmanckkahsung bis zu dessen Tordurchgang mit den Schiffssensoren verfolgt. Erneut erschien ein Bild auf dem Kommunikationsbildschirm, diesmal war es Keucologis: „Bissst Du allmählich mit dem Schiff vertraut, Humko?“
„Ja – und ja.“
„Gut, dann sssolltest Du Dich jetzt auf den Weg machen.“
„Ja – und ja. Bis dann, Keucologis, lustige Hehlerin von allerlei Waren.“
Humko setzte Kurs auf das Nordtor und ging auf Höchstgeschwindigkeit. Es dauerte nur eine Sezura bis die Teladi, die an das Fenster ihres Büros getreten war, das schnelle Schiff aus den Augen verlor.

Trotz der enormen Geschwindigkeit des Schiffes, wurde der rötliche braune, vernarbte Planet der Familie Zein nur sehr langsam größer. Dann war es endlich so weit, er musste einen Senkflug durch die Atmosphäre durchführen. Er wurde so dabei durchgeschüttelt, dass ihm furchtbar übel war als sein Splitschiff unsanft etwa zehn Kilometer außerhalb der Stadtgrenzen von ‚Zein-tan’ aufsetzte. Dennoch war er sehr zufrieden mit sich über seine erste Planetenlandung.
Er wartete bis das flaue Gefühl aus seinen Magen verschwunden war und zog dann seinen Raumanzug an. Nachdem er ausgestiegen war, kontrollierte er zunächst die Hülle des Schiffs, konnte jedoch keinerlei Schäden erkennen. Der Wolf hatte den Senkflug ohne Probleme überstanden. Humko stieg etwas nach oben und blickte sich um. Eine große vegetationslose Steinwüste erstreckte sich endlos in alle Himmelsrichtungen. Nur im Süden unterbrochen durch die dreckige Splitgroßstadt. Von kleinsten Baracken bis hin zu riesigen Wolkenkratzern standen Hunderte Gebäude chaotisch durcheinander. Die Stadt wirkte wie ein gigantisches wild wucherndes Unkraut. Etwas östlich der Stadt lag ein großer Raumhafen, der in dieser Entfernung kaum noch zu erkennen war. Über beiden herrschte reger Verkehr verschiedenster kleinerer Raumfahrzeuge und einiger Atmosphärengleiter.
Humko ging zurück zu seinen Schiff und holte eine große graue Plane aus dem Frachtraum und breitete diese über dem Wolf aus. Mit etwas Glück würde der Raumer nun für die schnellen Aufklärungsjäger wie ein Felsen aussehen. Der Borone schlüpfte wieder unter die Plane und öffnete die Frachtluke von außen, um ein kleines Fahrzeug auszuladen. Es sah aus wie ein großes X. An jedem der vier nach unten gebogenen Enden war ein Rad angebracht. In der nach oben gewölbten Mitte, wo sich die beiden Achsen trafen, waren ein Sitz und ein Lenker montiert. Humko sprang auf den Sitz und fuhr zielstrebig gen ‚Zein-tan.’

Während des Hinfluges hatte Humko sich so gut es ging den Stadtplan der Metropole eingeprägt. Im Nordwesten lag ein weitläufiges Industriegebiet, dort fuhr er in die Stadt hinein. Er stellte sein Fahrzeug hinter einer übel riechenden Rastarraffinerie ab. Berge von Cheltknochen waren hier achtlos hingeworfen worden. Wahrscheinlich wurden sie auch gelegentlich abtransportiert, doch kam das offenbar seltener vor. Split störten sich bekanntlich weniger an schlechten Gerüchen, außerdem war diese Halde auch noch weit weg von den bewohnten Stadtteilen. Vorsichtig schwebte Humko um die schwarze Außenmauer der Fabrik herum bis er hinter der nächsten Ecke die Verladestelle des Betriebes erblickte. Große kantige Frachtgleiter landeten in unregelmäßigen Abständen vor den runden Schotts und luden allerlei Waren ein und aus. Drei der annähernd würfelförmigen Atmosphärengleiter standen etwas abseits geparkt, sie wurden offenbar zurzeit nicht benötigt. Humko passte den richtigen Moment ab und huschte dann ungesehen zu diesen Transportern hinüber. Das primitive Schloss leistete Humkos Handlaser nicht lange Widerstand, er schlüpfte hinein und untersuchte die Bedienungselemente. Bald war er sich sicher, den Frachtgleiter fliegen zu können. Er startete das Gefährt und hob ab, keiner der beschäftigten Split beachtete den Transporter der sich langsam in die Lüfte erhob. Schließlich waren die startenden und landenden Gleiter für sie viel zu alltäglich, um diese genauer zu beachten.
Humko hielt nun gezielt auf den Stadtkern zu, unter ihm zog das Industriegebiet her, bald erreichte er die ersten Wohnviertel. Sein Ziel war zwar noch vier Kilometer entfernt, doch hob es sich schon sehr deutlich vom Rest der Stadt ab. Das halbkugelförmige Gebäude war aus einem helleren Gestein gemauert als die meisten anderen Häuser von ‚Zein-tan’ und es gehörte mit den dunklen Wolkenkratzern zu den höchsten Bauwerken der Stadt. Zudem fiel der Palast von Zein t’Nnt auch dadurch auf, dass nur dieses Gebäude von einer Gartenanlage und saftigen roten Gras umgeben war.
Humko kreiste zweimal um den Koloss herum, bis er den Hangar für Lieferanten auf der Rückseite der Struktur entdeckte. Als er in dem relativ kleinen Hangar aufsetzte, bekam er eine kurze Mitteilung vom automatischen Hangarsystem, dass er für das Entladen der Fracht selbst zuständig sei. Umso besser dachte Humko, er hatte schon befürchtet, dass ihm gleich ein ganzer Trupp Träger entgegenkäme. Er lugte durch die verdunkelten Scheiben des Frachters, zwei Wachen waren im Hangar stationiert. Die beiden Split führten eine angeregte Unterhaltung. Humko sprang mit gezogener Waffe aus dem Gleiter. Beide Wachen hatten seine schnelle Bewegung aus dem Augenwinkel mitbekommen und drehten sich dem Boronen zu. Doch es war schon zu spät, zwei gezielte Laserschüsse brannten sich bereits durch ihre Eingeweide.
Humko machte sich nicht die Mühe die beiden Leichen wegzuschaffen, er hatte wenig Zeit. Er verließ den Hangar und schwebte auf den Korridor. Er musste jetzt Zeins Audienzsaal finden, er lauschte angestrengt und vernahm bald ein entferntes Geräusch. Humko flog nun langsam diesem Geräusch entgegen, aufmerksam hielt er nach weiteren Wachen Ausschau und prägte sich den Weg genauesten ein. Es dauerte nicht lange bis er das Geräusch deutlich als Grölen identifizieren konnte. Und dann lag es vor ihm, das große geöffnete Tor des Audienzsaales. Vier Wachen standen davor, die Humko vorsichtig aus einiger Entfernung, versteckt hinter einer mannshohen Farnähnlichen Pflanze, misstrauisch beäugte.
Humko zog sich zwei Längen zurück und suchte nun Schutz hinter einer steinernen Statue, die offenbar Zein t’Nnt darstellte. Er löste seine Peitsche von seinem Gürtel und ließ sich ihren Griff in den Tentakel gleiten. Er zielte auf die große Pflanze und ließ die Lederwaffe auf sie niederfahren. Die fransigen Blätter des Farns flatterten wild durcheinander, der laute Knall der Peitsche untermalte die Situation. Die vier Wachen stürzten herum und nahmen die wackelnde Pflanze unter Feuer.

Rostrote Erde, braune Keramikscherben und verkohlte Pflanzenreste lagen auf dem schwarzen Fellteppich verteilt. Hässliche Krater überzogen die eine Hälfte der Statue des Zein. Humko kauerte sich noch immer auf der anderen Seite der Skulptur zusammen. Nachdem die wilden Feuersalven vorbei waren, spähte er vorsichtig an der Steinfigur vorbei. Die vier Wachen stürzten zu den Überresten des Zimmergewächses und starrten diese irritiert an.
Aus dem Tor des Audienzsaales trat ein junger, wütend dreinblickender Split heraus. Er schaute sich um und erspähte die noch immer verdutzt auf den Boden glotzenden Wachen. Humko hatte ihn sofort erkannt, es war Mor t’Lss, der Neffe von Zein t’Nnt. Keucologis hatte Humko verschiedene Fotos des Splits gezeigt, weil er eben diesen beseitigen sollte. Zwar wusste er nicht, aus welchen Gründen die Hehlerin Interesse am Tod von Zeins Neffen hatte, aber das war ja auch nicht wichtig, die Bezahlung stimmte zumindest. Außerdem war anzunehmen, dass Keucologis ihm mit einem Auftrag betraut hatte, den diese wiederum von jemand anderem bekommen hatte.
Mor t’Lss schritt auf die Wachen zu und fuhr diese forsch an: „Was hier los?“
„Pflanze hat sich bewegt und Krach gemacht,“ erklärte einer der Angesprochenen zögernd.
Dem jungen Split schoss vor Wut das Blut in den Kopf, er zog seine Feuerwaffe und knallte die Wache, die die Antwort gegeben hatte, kurzum ab. „Inkompetentes Pack! Geht mir aus den Augen!“ schrie er.
Tatsächlich verschwanden die drei verbliebenen Sicherheitskräfte fluchtartig. Der junge Split rief ihnen nochmals „Inkompetentes Pack!“ hinterher, dann steckte er seinen Handlaser wieder ein und warf einen kurzen Blick über die Reste der großen Zimmerpflanze. Danach schritt er langsam auf die Statue zu. Er sah sich die Krater genau an und ging um die Skulptur herum, um die zerstörte Hälfte mit den anderen zu vergleichen. Umgehend fiel sein Blick auf den unerwarteten Boronen, der mit gezogener Waffe hinter der Statue auf den Boden hockte und sofort schoss. Mit einem kurzen dumpfen Ton landete der tote Körper von Zeins Neffen auf den schwarzen Teppich.

Humko war blitzschnell zum Hangar des Palastes zurückgestürzt und startete nun den alten Frachtgleiter wieder. Er flog hinaus und setzte Kurs auf das Industriegebiet. Wenige Mizuras nachdem er den Hangar verlassen hatte, ertönte das grässliche Kreischen eines ganzen Chores von Alarmsirene über den Dächern von ‚Zein-tan’. Man hatte ihn entdeckt. Humko konnte auf den Radar beobachten, dass mehrere Kampfschiffe aufstiegen, die meisten vom entfernten Raumhafen, doch auch einige aus dem Hangar des Palastes hinter ihm. Der Transportgleiter war natürlich zu langsam, um den schnellen Jägern zu entkommen, die Split näherten sich mit rasender Geschwindigkeit. Humko überflog gerade die ersten Gebäude des Industriegebietes, sein Blick viel auf ein nahe gelegenes kreisrundes, nicht überdachtes Bauwerk. Es wirkte wie ein gigantischer steinerner Kochtopf und war bis knapp unter den Rand mit Wasser gefüllt. Der Borone änderte seinen Kurs und ging tiefer. Die Kampfschiffe waren nur noch knapp 800 Längen hinter ihm und eröffneten das Feuer. Humkos Atmosphärengleiter sauste direkt über der Wasseroberfläche des großen Beckens dahin, als er von der Salve eines Verfolgers voll getroffen wurde und aufgrund der fehlenden Schilde fast vollständig verdampfte. Eine Handvoll kleinerer Wrackteile stürzte zischend ins kalte Wasser.

Humko blickte nach oben, während er sich weiter fallen ließ. Verschwommen nahm er die Kampfschiffe wahr, die mehrmals siegessicher über die Wasseroberfläche rasten. Er hatte den richtigen Moment abgepasst und war kurz vor dessen Zerstörung aus dem Gleiter gesprungen. Jetzt musste er hoffen, dass die Split davon nichts mitbekommen hatten und auch nicht auf die Idee kamen, den Frischwasserspeicher zu durchsuchen. Humko schätzte die Wahrscheinlichkeit hierfür jedoch sehr gering ein, weil die Split zwar was Taktik und Kriegslist anging sehr gewitzt waren, aber ansonsten doch auch etwas dümmlich. Zudem ahnten sie sicherlich nicht, dass sie nach einen Boronen suchen mussten und zogen es daher gar nicht in Betracht, dass sich der Flüchtende unter Wasser versteckt haben könnte.
Er hatte den Boden des Beckens erreicht, das Wasser war hier sehr dunkel. Allmählich gewöhnten sich seine Augen an die Lichtverhältnisse, er nahm eine Vielzahl Wrackteile wahr, die überall durchs Wasser trieben. Erschreckt riss er die Augen weiter auf, hier stimmte etwas nicht. Die Objekte, die durchs Wasser trieben, waren zu zahlreich und weites gehend auch zu groß um alle von dem kleinen Frachtgleiter zustammen. Die Objekte waren auch nicht dünn und scharfkantig, sondern dick, klobig und besaßen rundliche Konturen. Kaum eines fiel zu Boden, einige stiegen sogar nach oben. Und sie bewegten sich. Humko konnte mittlerweile mehrere Gliedmaßen erkennen, augenblicklich schoss ihm die Erkenntnis durch den Kopf, dass das große Becken nicht für die Frischwasserversorgung der Stadt verwendet wurde. Eines der großen Tiere schwamm nun auf ihn zu, es war ein Chelt. Humko zitterte, alles was er über Chelts wusste war, dass man ihr Fleisch essen konnte und aus ihrer Haut Leder herstellt. Die Riesengarnele war fast so groß wie Humko selbst und näherte sich weiter. Sie hielt kurz vor ihm an, beäugte ihn interessiert und wandte sich dann bald wieder ab. Verschiedene andere Exemplare wiederholten das einige Male. Humko presste erleichtert einen großen Schub Wasser durch seine Kiemen als er erkannte, dass Chelts friedliche Geschöpfe sind.
Zwei Stazuras später legte sich der dunkle Schleier der Nacht über Zein-tan. Noch immer hatte niemand das Aquarium durchsucht. Humko tauchte auf und kletterte aus dem Becken heraus. Bald hatte er auch die Rastarraffinerie wieder gefunden, hinter der sein kleines vierrädriges Fahrzeug noch immer unentdeckt wartete. Er stieg auf und raste in die nächtliche Wüste hinaus.
Er fand den Wolf schnell wieder und lud das Bodengefährt wieder ein. Anschließend setzte er sich in das Cockpit und rief einen örtlichen Nachrichtensender auf den Bildschirm auf. Zufrieden lehnte sich Humko zurück und hörte zu. Schließlich begann der Nachrichtensprecher über das Thema zu berichten, auf das er gewartet hatte: „Am frühen Nachmittag wurde heute in Zein-tan Mor t’Lss, der Neffe von Familienoberhaupt Zein t’Nnt, von einen unbekannten Täter erschossen. Das Schiff des Attentäters wurde jedoch auf der Flucht durch Einheiten der Garde des Zein zerstört. Hierbei wurde der Pilot getötet. Njy t’Rllt, der Neffe des Familienoberhauptes Whi t’Rllt, gab bekannt, dass der Täter für ihn gearbeitet hätte. Er sagte, dass er damit schon in Vorfeld die spätere Bedeutung seiner Familie unter seiner Führung demonstrieren wolle. Whi t’Rllt distanzierte sich von der Tat seines Neffen und betonte nochmals, dass er weiterhin mit allen Mitteln verhindern werde, dass Njy t’Rllt seine derzeitige Position einnimmt.“
Humko schaltete das Programm aus und verließ das Schiff. Er schwebte aufs Dach und nahm die Plane ab. Er war gerade dabei sie ordentlich aufzufalten als er ein leises, aus südlicher Richtung kommendes, Geräusch vernahm. Ein winziger Punkt kam von der Stadt her und flog in seine Richtung. Das dunkelrote Kampfschiff schimmerte matt im schwachen Sternenlicht. Ein Aufklärungsjäger.
Er warf die Plane zu Boden, stieg fluchtartig ins Cockpit ein und startete die Motoren. Das leise Geräusch des herannahenden Jägers war bereits zu einem guthörbaren Donnern geworden. Genau in dem Moment, in dem Humko abhob, öffnete sich sein Kommunikationsbildschirm. Ein wenig interessiert wirkender Split erschien auf den Bildschirm, er blickte Humko gar nicht an, sondern behielt die Schiffssteuerung im Auge. Er warf den Boronen eine aggressiv, aber auch gelangweilt klingende Routinemitteilung entgegen: „Pilot von Split Wolf, identifiziert sich m...“
Der Split stockte. Er hatte sich nur kurz auf dem Bildschirm sein Gegenüber ansehen wollen, doch lag sein Blick nun fest gebannt auf der Projektion des Boronen. Split waren zwar nicht allzu intelligent, doch sie konnten zwei und zwei zusammenzählen. „Mörder wird jetzt sterben!“ schrie er Humko an.
Ein Streifschuss der Plasmawerfer des Jagdschiffes schüttelte den Wolf durch, allerdings gelang es Humko weiteren Treffern auszuweichen. Beide Schiffe rasten immer weiter in die Atmosphäre hinauf bis diese sie schließlich in den freien Weltraum entließ. Mit seinem schnellen Scoutschiff hatte Humko seinen Verfolger allerdings bald abgeschüttelt. Zufrieden flog er zum ‚Erzgürtel’ zurück.

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Kapitel 3

Post by Boro Pi » Fri, 30. Jul 04, 14:24

Kapitel 3 - In die Falle (739)

Zielstrebig ließ Humko die großen Lagerhallen der Piratenbasis ‚Wolken der Atreus’ hinter sich und schwebte einen breiten Gang hinunter, an dessen Seiten in gleichmäßigen Abständen kleinere Frachträume lagen. Einige von ihnen wurden auch als kleinere Geschäfte genutzt, so auch der Raum, vor dessen Tür er stehen blieb. Er blickte auf die kleine quadratische Anzeige neben der Tür, auf welcher nüchtern vermerkt war:

Lagerraum: 3SL
Lagerkapazität: 70 Standartfrachteinheiten
Eigentümer: Villiam Tryps
Waren: Waffen und Spezialequipment.

Doch nicht nur Insider wussten, dass sich hinter dieser schlichten Beschreibung und der dazugehörigen Tür das beste Waffengeschäft außerhalb der Splitdynastie befand. Und einige meinten sogar, dass es auch im Splitraum nichts Vergleichbares gäbe. Nachdem Humko hereingeschwebt war, sprang ihm Villiam Tryps gleich begeistert entgegen: „Mister Du, schön dass Sie mal wieder vorbeischauen. Ich habe vorgestern die von Ihnen bestellte Ware reinbekommen.“
Der Argone holte zwei Kisten unter der Ladentheke hervor und fuhr fort: „40 Stück beste paranidische Magnetplasmagranaten.“
„Wo bekommen und kriegen Sie das Zeug nur her, Tryps? Soweit ich weiß, bekommt und erhält nur der emsige Geheimdienst der Paraniden diese lustigen Spielzeuge.“
„Das ist richtig, auch diese sind aus den Beständen der dreiäugigen Agenten. Aber wie ich daran komme, kann ich Ihnen leider nicht verraten, Geschäftsgeheimnis.“
„Ja – und ja, natürlich. Was machen die feinen DY5- Zeitbomben?“
„Ob Sie es glauben oder nicht, die sind schon alle weg. Ich hoffe Sie liefern mir bald ein paar Neue. Im Gegenzug kann ich Ihnen sicher wieder etwas Interessantes wie die Granaten besorgen.“
„Mal sehen, Tryps. Vorläufig, zunächst und bis auf weiteres brauche ich nichts.“
„Ich nehme Ihnen die Bomben selbstverständlich auch für Credits ab.“
„Das ist mir schon klar und bewusst. Aber derzeit weiß ich noch nicht, wann ich mal wieder vorbeischaue und mich hertreiben lassen.“
Humko nahm die Kisten auf und wollte zu seinem Schiff zurückkehren, er war schon in der Tür, als Villiam ihn nochmals ansprach: „Ach so, beinahe hätte ich es vergessen, Mister Du. Gestern war ein Split hier und hat nach Ihnen gefragt, Len t’ irgendwas. Ich habe ihm gesagt, dass Sie wahrscheinlich heute an Bord sein werden. Er erwähnte etwas davon, dass er einen sehr eiligen Auftrag für Sie hätte. Sie sollen sich bei ihm melden. Warten Sie, ich habe mir irgendwo die Nummer seines Gästequartiers notiert. Ah hier, Quartier 4031.“
„Danke, Tryps. Mal sehen und schauen, was dieser grimmige Split von mir will.“
Humko verlud die Granaten im Frachtraum seines Schiffes, dem ‚Widerhaken’, einem Kampfschiff des Typs Piranha. Anschließend schlenderte er eine Quazura durch die Geschäfte der Station, bis er sich dann irgendwann auf den Weg zu den Besucherquartieren machte. Er hätte natürlich auch direkt hingehen können, allerdings hatte er sich in den letzten drei Jazuras eine derartige Bekanntheit als Profikiller erarbeitet, dass er es für mehr als gerechtfertigt ansah, wenn er seine Kunden warten ließ.
Er klingelte, doch zunächst schien nichts zu passieren. Dann, nach einer vollen Mizura, erschien der Split auf einen kleinen Kommunikationsbildschirm neben der Tür: „Was ist da?“
„Humko Du, ich habe gehört und vernommen, dass Sie einen eiligen Auftrag für mich haben, Herr ...?“
„Len t’Nrrs. Ja, das ist richtig, meine Familie dürstet nach dem Blute einer niederträchtigen Kreatur.“
„Und wie viel lassen Sie sich Ihre heiß ersehnte Blutrache kosten, Len t’Nrrs, blutdürstiger Split?“
„Zwei Millionen Credits.“
Humko verlor beinahe sein perfekt einstudiertes Pokerface. Zwei Millionen war weitaus mehr, als er jemals zuvor für einen Auftrag angeboten bekommen hat. Die so genannte ‚niederträchtige Kreatur’ schien kein dahergelaufener Niemand zu sein: „Ich bin äußerst interessiert, lassen Sie mich umgehend eintreten und hereinkommen.“
„Das ist nicht nötig, Boronding tut einfach Kreditkarte in Konsole neben ihm.“
Humko tat wie ihm geheißen wurde. Dass sich sein Kunde ihm offen auf den Bildschirm zeigte, doch gleichzeitig nicht wollte, dass sie sich persönlich gegenüberstanden, wunderte Humko nicht. Die meisten seiner Kunden waren irgendwie schrullig. Len t’Nrrs war kurzzeitig von Bildschirm verschwunden, tauchte aber schnell wieder auf: „Ich habe die Hälfte der Summe an Boronding überwiesen. Kreatur kann jetzt Karte wieder herausnehmen.“
„Gut und schön. Also dann geben Sie mir mal ein paar Daten und einige Information, Len t’Nrrs, spendabler Auftraggeber: wer, wo und wann. Wenn es geht mit vielen und reichlich Details.“
„Boronding kriegt Informationen später und nicht von mir. Es fliegt zu Raumaquarium in ‚Thuruks Stolz’ und sagt Chef, es kommt von Len t’Nrrs.“
„Geht klar und in Ordnung, wir sind im Geschäft.“

Humko erreichte das Raumaquarium ohne Probleme. Er dockte an und stieg aus. Ein großer Split in voller Kampfmontur kam auf ihn zu: „Was will Boronding?“
„Ich möchte den Chef und Leiter sprechen, Len t’Nrrs, lustiger Verbindungsmann, schickte und sandte mich hierher.“
Die finstere Miene des Splits war einem dämonische grinsenden gewichen: „Boronding folgt mir!“
Sie stiegen in einen Lift ein, der mehrere Decks nach unten fuhr. Sie stiegen aus und der Split führte Humko weiter in die Station hinein. Sie befanden sich auf dem untersten Deck, gelegentlich waren Fenster im Fußboden eingelassen, die den Blick auf den Weltraum unter dem Betrachter freigaben und dessen Instinkte dazu verleiteten zu glauben er würde ins Leere stürzen. „Beeindruckend und faszinierend!“ kommentierte Humko diese architektonische Spielerei.
„Boronding muss erst einmal nach oben blicken.“
Erst jetzt merkte Humko, dass parallel zu den Scheiben im Fußboden auch welche in der Decke des Ganges angebracht waren. Durch diese schaute man von unten in das große annähernd kugelförmige Wasserbecken, in welchem die Split hier im Weltraum Chelts züchteten. Mehrere Tausend Kubikmeter Wasser mussten sich über ihnen befinden. Belustig musste Humko an seine Begegnung mit den großen Garnelen auf dem Planeten der Familie Zein zurückdenken.
Der Gang endete bald und sie standen vor einem großen dreieckigen Schott. Es fuhr auf und der Split schlüpfte hindurch, Humko folgte ihm. In der Mitte des Raumes stand ein großer Steintisch hinter dem ein älterer Split saß. Vor dem Tisch stand ein leerer Stuhl und der Split deutete Humko an sich dort zu setzen. Rechts und Links stand jeweils eine Reihe bewaffneter Split, auch die Wache, die den Boronen hergeführt hatte reihte sich hier ein. Humko setzte sich hin und schaute sich zunächst die beiden Reihen der uniformierten Splitkrieger an. Wandte sich dann seinem Gegenüber zu: „Was sollen und wollen die denn alle hier?“
„Stolze Split werden helfen beim Töten der Kreatur.“
„Ich arbeite aber lieber allein, solo und für mich.“
Der Split antwortete darauf nicht, er quittierte Humkos Aussage lediglich mit einen undeutbaren Kopfnicken.
„Also, wer ist die Person oder Kreatur, die es zu eliminieren und auszuschalten gilt?“ fragte der Borone.
Der alte Split beugte sich vor und öffnete den Mund, um zu antworten. Noch bevor ein Ton seinen Mund verlassen konnte, hatte Humko die Antwort in dessen Augen gelesen. In dem Augenblick, in dem der Split „Humko Du!“ schrie, war dieser schon aufgesprungen und versuchte aus den Zimmer zu fliehen. Wild schlugen Lasersalven um ihn herum in den Boden ein, ein Schuss traf einen seiner Tentakel. Der endlose Schmerz des verbrennenden Fleisches durchfuhr Humko und ließ ihn einen lang gezogenen Schrei ausstoßen. Langsam sickerte Wasser aus der aufgeschossene Stelle seines Raumanzuges heraus. Sein Geist versuchte sich in Ohnmacht zu flüchten um den Schmerzen zu entgehen. Nur noch verschwommen nahm er wahr, dass er die Tür zum Korridor passiert hatte. Die Split rannten mit gezogen Waffen hinter ihm her. Humko versuchte eine letzte Kraftanstrengung und griff nach einer Magnetplasmagranate an seinem Gürtel und warf sie ziellos nach oben. Die magnetische Waffe prallte gegen die Metalldecke, heftete sich an diese an und entlud sofort ihre Plasmaladung. Humko hatte schon das Bewusstsein verloren und merkte nicht mehr wie sich Hunderte Hektoliter Wasser schlagartig über ihn ergossen. Und in wenigen Sezuras die unteren Decks der Station überfluteten.

Humko wusste nicht wie lange er weggetreten gewesen war. Jede Stelle seines Körpers schmerzte fürchterlich, besonders natürlich sein angeschossener Tentakel, allerdings hatte sich die Wunde schon wieder so weit geschlossen, dass kein Blut mehr austrat. Langsam blickte er sich um, hässliche Wasserleichen der Split trieben im Gang umher, an vielen Stellen vermischte sich Blut und Wasser. Direkt über ihn klaffte ein riesiges Loch in der Decke, hinter dem das nun nur noch halbvolle Zuchtbecken der Chelts lag von denen auch einige schon durch die Öffnung getaucht waren und sich neugierig im Gang umsahen. Plötzlich ging ein merkwürdiges Fiepen durch das Wasser und die großen Tiere wurden deutlich unruhig. Sie kletterten aufgeregt an den Wänden entlang und schienen nach einem Versteck Ausschau zu halten. Offenbar war das Fiepen eine Art Warn- oder Angstruf, den die Chelts oben in Becken ausstießen und der von ihren Artgenossen hier unten so erschreckt aufgenommen wurde. Humko konzentrierte sich und horchte in das Aquarium hinein. Leise, ganz leise, zwischen den lauten Cheltrufen nur schwer auszumachen, vernahm er ein anderes Geräusch. Irgendetwas klackte metallisch und näherte sich langsam. Humko ahnte, was dies bedeutete, ein oder mehrere Split wanderten in Taucheranzügen und Magnetstiefeln entlang der Beckenwand in die Richtung des Lecks. Wahrscheinlich jagten sie die Riesengarnelen auch auf diese Weise, weshalb die Tiere so erschreckt auf den Anblick der Splittaucher reagierten.
Humko schwamm vorsichtig nach oben und lugte durch die Öffnung, es waren fünf bewaffnete Split. Mit grellen Taschenlampen untersuchten sie gründlich die Beckenwände. Schnell vergewisserte sich der Borone, dass seine Feuerwaffe unbeschädigt geblieben war. Er überlegte wie er die Übermacht überwältigen konnte, ohne dass die Split die Möglichkeit hätten weitere Leute herbei zu rufen. Es war nicht klar, ob sie von seiner Gegenwart wussten oder nicht. Und wenn ja, ob sie ihn schon für tot hielten. Sie machten auf ihn jedenfalls zumindest nicht den Eindruck, dass sie einen Feind erwarten würden, sondern schienen nach einen technischen Defekt als Auslöser der Katastrophe zu suchen. Sie arbeiteten sehr akribisch, was nach Humkos Meinung eher untypisch für die Mitglieder des wilden Kriegervolkes war. Anderseits, fragte er sich anschließend, wie sollten sie auch sonst auf eine derartige Situation reagieren. Es bestand daher auch kein Zweifel daran, dass sie ihn finden würden, auch wenn er sich verstecken würde.
Er brauchte ein Ablenkungsmanöver. Er schaute sich um, überall klebten Chelts an den Wänden und versuchten sich so klein wie nur möglich zu machen. Die Wasserleichen trieben noch immer herum und sanken langsam zu Boden. Das Blut, das einige von ihnen verloren hatten, hatte sich in den Wassermassen vollständig verflüchtigt. Humkos Waffengürtel war Standardmäßig bestückt, eine Laserwaffe, die Peitsche und ein Dolch. Er schnappte sich zwei der Leichen und verkeilte sie unter der Öffnung. Dann zog er sein Messer und schlug beiden einen kräftigen Hieb ins Herz. Eine eklige Wolke braunen Splitblutes schob sich durch das Loch und stieg als Säule düsterer Eleganz im Aquarium auf. Die Augen der fünf Split verfolgten das Blut neugierig. Zeichen des Todes zogen Split immer fesselnd in den Bann. Keiner von ihnen beachtete die Öffnung an Boden des Beckens weiter, keiner sah die kleine Gestalt, die kurz nach der Wolke hindurch kam. Humko feuerte eine gezielte Salve ab. Angewidert, fasziniert und erleichtert zugleich schwamm der Borone nun an den fünf toten Split vorbei, die wegen ihrer Magnetstiefel weiterhin aufrecht auf der Beckenwand standen.
Er war sich nicht sicher, ob noch weitere Split an Bord waren, zumindest kam ihm auf den Weg zum Hangar keiner mehr entgegen. Er hatte das Loch in seinem Raumanzug nur notdürftig flicken können, aber bis zu seinem Schiff reichte es. Bevor er abdockte holte er noch eine DY5- Zeitbombe aus seinem Frachtraum, stellte sie ein und setzte sie dann in der Mitte des Hangars nieder.
Er flog auf das Nordtor zu und hatte sich das Bild der Heckkamera auf den Bildschirm gestellt. Das riesige Raumaquarium schrumpfte in der Entfernung zu einer kleinen unförmigen Kugel zusammen. Viele Gedanken durchzogen Humkos Gehirn. Er war in eine Falle der Familie Zein gelaufen, ab jetzt würde er sich besser über seine Kundschaft informieren. Die unförmige Kugel war zu einem kleinen Punkt zusammengeschrumpft. Er wäre beinahe getötet worden, aber das war für ihn eben Berufsrisiko. Der kleine entfernte Punkt auf seinem Bildschirm verwandelte sich in einen lodernden Feuerball, welcher gleich wieder völlig verschwand. Er klickte zufrieden. Er hatte die Schergen der Familie Zein ausgetrickst, und dabei noch eine Million Credits von ihnen kassiert und ihr Raumaquarium vernichtet. Ein erfolgreicher Tazura.
Sein Schiff erreichte das Sprungtor und entschwand.

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